Der Fluch des Tutanchamun: Ständig bricht ihm etwas ab

Erst dementierte das Antiken-Ministerium in Kairo, nun scheint etwas dran zu sein: Der Bart des Pharao muss neu geklebt werden.

Bei Geschichten aus dem ägyptischen Totenreich ist Vorsicht angebracht, die Meldungen der vergangenen Tage aus dem Nationalmuseum in Kairo dürften jedoch zumindest in einem wesentlichen Detail stimmen: Pharao Tutanchamun hat Probleme mit einem falschen Bart. Der sei im Vorjahr beim Reinigen von der weltberühmten goldenen Maske abgebrochen. Hastig hätten Mitarbeiter das Teilstück ziemlich unsachgemäß mit Kunstharz wieder angeklebt.

Erst hat das zuständige Ministerium dementiert, nun gibt es aber ein offizielles Geständnis und sogar Konsequenzen: Der Chefrestaurator wird ins Streitwagenmuseum versetzt. Ein deutscher Spezialist für Metalle soll den Schaden richten. Er beruhigt die Fans des vor gut 3300 Jahren ins Jenseits entrückten Gottkönigs. Die Sache sei reparabel, sagt Christian Eckmann.

Seit der britische Hobby-Archäologe Howard Carter 1922 das beinahe unversehrte Grab eines Pharaos der 18. Dynastie im Tal der Könige entdeckt hat, ist es vorbei mit der Ruhe für den mit 18 bis 20 Jahren verstorbenen Tutanchamun. Er sah ungesund aus, hatte Hasenzähne, breite Hüften und einen Klumpfuß, die Knochen waren offenbar missgebildet. Dazu könnte auch der Inzest seiner Vorfahren beigetragen haben. Vor allem die Beine des Pharao waren lädiert. Eine Theorie besagt, dass er an den Folgen eines Unfalls mit dem Streitwagen starb.

Tut scheint seit seiner Wiederentdeckung tatsächlich an einem Fluch zu leiden. Ständig wird er zur Schau gestellt, sein Hausrat aus der Grabkammer reist um die Welt und zieht Millionen Besucher an. Da kann zuweilen schon ein Missgeschick passieren. In den Sechzigerjahren zum Beispiel soll sein in einem Winkel von 90 Grad einbalsamierter Penis abhandengekommen sein. Man munkelte, er sei gestohlen worden. Bei Röntgenaufnahmen war er damals nicht zu sehen. Das gute Stück fand man aber 2007 im Grab wieder – mittels einer Computertomografie. Anscheinend war das royale Glied bei einer früheren Untersuchung abgebrochen worden.

Bei Isis und Osiris! Man könnte nun fruchtbar über Erektionen und die unheimliche Kraft der Regeneration räsonieren, über Könige, die sich stets erneuern, wenn es Frühling wird. Aber das sind im Grunde bekannte Geschichten, nicht nur aus dem Morgenland. Viel interessanter scheint, was es mit alten Bärten auf sich hat. Der an der Maske des Tutanchamun war zum Beispiel gar nicht befestigt, als 1922 King's Valley 62 ausgehoben wurde. 1924 ließ Carter den Bart noch separat nach Kairo bringen. Die goldene Maske konnte man zwanzig Jahre ohne dieses mit Ton gefüllte Ding sehen. Erst 1944 wurde es angeklebt. Und haftete immerhin 70 Jahre.

Die imposanten Bärte, die Pharaonen im Alten Ägypten wirklich trugen, waren auch nicht echt. Dieser kunstvolle Schmuck bestand nicht aus Haar, sondern aus Stoff, er könnte mit Bändern befestigt worden sein. Unter der Zierde war der Herrscher offenbar glatt rasiert. Selbst Königinnen trugen Bärte, man sieht das in Abbildungen der Hatschepsut aus der 18. Dynastie, die im Jahrhundert vor Tut herrschte, als das Neue Reich noch jung war.

Was aber bedeutet solch falsche Pracht? Vielleicht symbolisiert sie tatsächlich die Verbindung Pharaos zur göttlichen Energie, die das Leben ewig fließen lässt. Haare würden nach dem Tod weiterwachsen, glaubten nicht nur die alten Ägypter. Sie sahen darin ein Zeichen von Unsterblichkeit. Aus diese Perspektive scheint es recht und billig, dass strafversetzt wird, wer dem Abbild des Königs weit mehr als nur ein Löckchen krümmt. Beim Barte des Pharao! Vor 3300 Jahren wäre ein solch fahrlässiger Untertan nicht in die Streitwagenabteilung, sondern gleich unter die Räder gekommen.

E-Mails an: norbert.mayer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2015)

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