Wie viel Mehrwert bringt Häupl dieser Stadt?

Der Wiener Bürgermeister hat untertrieben: Umgerechnet auf AHS-Lehrer arbeitet er 38 Stunden pro Tag.

Landeshauptmann Michael Häupl setzt sich dafür ein, dass Österreichs Lehrer zwei Stunden mehr unterrichten dürfen. Dies hat der Wiener SPÖ-Chef eindrucksvoll mit seinem persönlichen Arbeitspensum in Verbindung gebracht: Die 22 Stunden, die ein Pädagoge im Schnitt pro Woche in der Klasse stehe, habe er bereits am Dienstag zu Mittag erreicht. Man kann daraus schließen, dass der Bürgermeister der Bundeshauptstadt für seine Wiener mindestens 75 oder gar 105 Stunden pro Woche Frondienst verrichtet – je nachdem, ob er auch am Wochenende im Einsatz ist.

Aber Häupls außergewöhnliche Leistungsbereitschaft steht hier nicht zur Debatte, sondern nur, ob dieser produktive Vergleich auch der klassischen ökonomischen Theorie entspricht, der sich die SPÖ verpflichtet fühlt. „Als Werte sind alle Waren nur bestimmte Maße festgeronnener Arbeitszeit“, schreibt der deutsche Philosoph Karl Marx im ersten Band seines Bestsellers „Das Kapital“. Er glaubt, den Schlüssel zur Substanz des Wertes gefunden zu haben: „Es ist die Arbeit.“ Er nennt auch sein Größenmaß: „Es ist die Arbeitszeit.“

Wie viel also ist Häupl wert, rechnet man seine Produktivitätskraft auf einen Lehrer um, der demnächst seine Karriere in der Oberstufe einer Wiener AHS beginnt? Solch ein Pädagoge unterrichtet an 180 Arbeitstagen im Jahr inklusive Gangaufsicht aufgerundet 600 Stunden. Mit minimaler Vor- und Nachbereitung ergibt das 1200 Stunden. Dafür erhält er 33.600 Euro brutto. Das sind pro Stunde exakt 28 Euro, bei mehr Einsatz entsprechend weniger.

Ein durchschnittlicher Wiener Bürgermeister bezieht derzeit ein jährliches Salär von knapp 240.000 Euro (Stand: 2015). Ohne Zulagen. Damit hat Häupl um gut 90.000 Euro mehr Substanz als seine Amtskollegen in New York oder Berlin. Das lässt auf eine beachtliche Produktivität schließen. Wie aber rechnet man solche Vorbilder in Schulstunden um? Eine einfache Division ergibt: Der Landesvater ist pro Jahr mindestens 8583 Junglehrer-Einheiten wert, wenn man davon ausgeht, dass seine Leistung jener der Schule entspricht.

Häupl hat also untertrieben mit den 22 Stunden bis Dienstagmittag. Wenn man ihm sieben Wochen Urlaub pro Jahr zugesteht, arbeitet er pro Woche 190 Stunden. Von Montag bis Freitag dürfte der Bürgermeister also täglich 38 Stunden für das Allgemeinwohl rastlos tätig sein. Da sind Parteiarbeit, Brotzeit und Weekend noch gar nicht inkludiert.

Marx würde von Ausbeutung reden, der furchtbaren Expropriation eines großen Volkshelden. Häupl schuftet sich für diese Stadt zu Tode, und nicht einmal der ÖGB weiß den ungeheuren Mehrwert zu schätzen. Die rote Rathaus-Kultur wird durch ihn überhaupt erst ermöglicht.

E-Mails an:norbert.mayer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2015)

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