Sicherer Hafen für Science-Fiction: Charon, der ferne Mond

Durch Fotos von der Raumsonde New Horizons erschließt sich das Umfeld des Pluto. Das bietet Chancen für galaktische Helden.

Seit die Nasa-Sonde New Horizons unlängst in den unendlichen Weiten des Weltraums den Pluto passierte und dabei unglaublich scharfe Fotos dieses Zwergplaneten und seiner Monde machte, die nun tröpferlweise auf die Erde übertragen werden, gibt es für die Kartografen des Alls eine Menge Arbeit: Wie nennt man all die weiten Täler und Höhen am Rande unseres Sonnensystems?

Für Nomenklatur ist die Internationale Astronomische Union zuständig, eine Vereinigung von Sternguckern mit Sitz auf der Erde in Paris, die seit ihrer Gründung 1919 auch strikt sein muss, um den Überblick zu bewahren. Sie schaut darauf, dass die Namen nicht allzu willkürlich vergeben werden. Denn die Himmelskarte ist ein sehr weites Feld, das Chaos droht immer und überall.

Im Umfeld Plutos (nach dem römischen Gott der Unterwelt) und seiner eiskalten Begleiter drängen sich Namen seines höllischen Lebensbereichs oder seiner griechischen Variante, des Hades, auf. Der unbenannte Weltraum bietet selbst in von Naturwissenschaft dominierten Zeiten die Chance, wenigstens über den Umweg antiker Mythologie ein wenig klassische Bildung zu retten. Proserpina erhält eine zweite Chance auf ewigen Ruhm. Ja, sogar alte Bekannte wie der ägyptische Gott Anubis und seine chinesische Unterweltkollegin Meng-p'o dürfen jenseits des Asteroidengürtels zweite Blüten erleben.

Götter, Heroen und ihre alten Wirkungsstätten werden im All noch immer viel häufiger als moderne Raumfahrzeuge oder verdiente Forscher Paten für neu entdeckte Orte. Diesmal aber, dank New Horizons, kommen auch die Fans von Weltraummärchen auf ihre Kosten. Die IAU scheint bisher zu dulden, dass sich die Nasa zumindest beim Pluto-Mond Charon nominell „stärker austoben“ kann, wie „Spiegel Online“ am Mittwoch berichtete. Markantes dürfte dort nach Figuren aus Science-Fiction und Fantasy benannt werden. Dazu gibt es Listen mit Vorschlägen, sie wurden in Internetforen heftig diskutiert – ein außerirdischer Kampf der Kulturen.

Gäbe es einen Vulkan auf Charon (leider wohl nicht), müsste er Spock heißen. Allein schon wegen des kühlen Naturells dieses Helden aus „Star Trek“ könnte solch ein Berg nur erloschen sein. Für den grimmigen Darth Vader aus „Star Wars“ wäre auf Charon vielleicht ein tückisches Eisfeld angebracht. Und warum sollten die Landschaften auf diesem weit entfernten Satelliten nicht an die vertrauten Gegenden aus dem uralten Epos „The Lord of the Rings“ erinnern? Auch der Fährmann Charon träumt bei all den grässlichen Fahrten über die Styx vielleicht eher von einem Auenland als vom wüsten Mordor.

Captain James T. Kirk und Lieutenant Nyota Uhura dürfen in der Topografie Charons natürlich ebenso wenig fehlen wie Luke Skywalker, Han Solo und Prinzessin Leia. Das scheint gewiss. Bei so viel Hollywood-Glamour im All aber ist es praktisch unerlässlich, einen Fleck im Umkreis des Pluto nach dem genialen Galaktiker Douglas Adams zu nennen. Er müsste nicht größer als ein Handtuch sein. Das hätte immensen psychologischen Wert.

E-Mails an:norbert.mayer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2015)

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