Steuer auf Beute aus Verbrechen?

Steuer Beute Verbrechen
Steuer Beute Verbrechen(c) Erwin Wodicka
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Der Fiskus nimmt, was er kriegt – mitunter auch Steuern auf erbeutete Gelder.

Der Fall sorgt für Debatten: Kann es wirklich sein, dass Verbrecher verpflichtet sind, ihre Beute zu versteuern? Dass etwa ein Bankräuber gezwungen ist, den geraubten Betrag beim zuständigen Finanzamt zu deklarieren. Obwohl: Ganz so absurd ist das Ganze doch nicht. Gestern, Mittwoch, stand ein Buchhalter vor Gericht, der wegen Untreue vier Jahre Haft erhalten hatte – und nun dem Vorwurf ausgesetzt war, das abgezweigte Geld nicht versteuert zu haben.

H. (62), Ex-Mitarbeiter eines Handelsunternehmens, meinte, dass ihm für seine Überstunden viel mehr Geld zustehe, als er tatsächlich verdiente. Daher überwies er sich selbst jahrelang so etwas wie „Provisionen“. Untreueschaden: mehr als drei Mio. Euro. Derzeit sitzt H. seine Strafe ab. Die Staatsanwaltschaft Wien klagte ihn noch einmal an. Wegen Hinterziehung von Steuern in der Höhe von ca. 1,5 Mio. Euro. „Aha, das heißt, auch der Taschendieb muss zum Finanzamt gehen“, sinnierte Starverteidiger Herbert Eichenseder.

Wäre H. zur Finanz gegangen, um die Wahrheit zu sagen, hätte der Beamte ihn anzeigen müssen. Andererseits ist es rechtlicher Standard, dass man sich als Verdächtiger nicht selbst belasten muss. Wie dem auch sei: Das Finanzamt fertigte jedenfalls einen rechtskräftigen Steuerbescheid aus. Darauf gestützt brachte die Staatsanwaltschaft Anklage ein.

Ein Vertreter der Finanz erklärte im Prozess, H. hätte die veruntreuten Beträge als „nicht selbstständige Einkünfte“ auf einem entsprechenden Formular angeben können, gestand aber zu, dass man dann wohl genauer hingeschaut hätte und der Buchhalter aufgeflogen wäre. Nicht zuletzt deshalb fällte das Gericht nach einigem Grübeln einen („vorsichtig“ begründeten, noch nicht rechtskräftigen) Freispruch. An sich „verpöntes Grundgeschäft“ begründe nicht unbedingt eine Steuerpflicht... Wie gesagt: Für Diskussionen ist gesorgt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2010)

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