Marginalie: Hausverbot für fröhliches Ferkel

Ein – nicht muslimischer! – Patient hat sich beklagt, jetzt gibt es statt des Glücksschweins traurige Kühe.

Das pittoreske niederländische Städtchen Leerdam ist durch seinen schmackhaften Käse bekannt, den Leerdamer, und durch seine Glasindustrie. Jetzt aber ist es in aller Munde, weil in Leerdam neuerdings die Kunst zensiert wird.

So geschehen im Leerdamer Krankenhaus „Lingepoliklinik“. Dort hingen in der Eingangshalle Gemälde der Künstlerin Sylvia Bosch. Unter den Werken war auch ein lustiges Porträt von einem breit grinsenden Ferkel mit zu großen Ohren und Augen. Ganz so, als wollte die Künstlerin mit ihrem Porträt des jungen Schweins die Botschaft rüberbringen: Noch mal Schwein gehabt!

Doch das unschuldige Schweinegesicht mit seinem schweinischen Grinsen, das eher an ein Spar- oder Glücksschwein erinnert, darf in der Poliklinik nicht mehr ausgestellt werden. Es wurde abgehängt. Statt des glücklichen Ferkels hängen dort nun traurig guckende Kuhköpfe, bei deren Anblick einem zum Heulen zumute ist, sowie ein bedrohlich dreinblickender Stier, der den Patienten und den Besuchern eher den Eindruck vermittelt: Ich nehme euch jetzt gleich auf meine Hörner – will sagen: Ihr müsst hier unters Messer.

Der neuerliche Akt von Zensur in öffentlichen Gebäuden in den Niederlanden ist ein weiteres Beispiel von vorauseilendem Gehorsam und Unterwürfigkeit niederländischer Behörden gegenüber dem Islam. Die Klinikleitung war von der Angst gepackt worden, nachdem sich ein Patient wegen des Glücksschweinsporträts beklagt hatte.

„Das war ein Nichtmuslim“, beeilte sich die Krankenhausleitung zu versichern. Aber ausstellen will sie den hämisch grinsenden Schweinekopf nicht mehr. „Die Kuhköpfe bleiben hängen. Wir denken nicht daran, das Schweineporträt wieder auszustellen“, sagt Kliniksprecherin Claudia Busato. „Wir bedauern all die Aufregung. Aber wir sind ein Krankenhaus und keine politische Organisation.“


Das, was in Leerdam geschieht, geht entschieden zu weit“, sagt der Islam-Kenner Maurits Berger. „Für Muslime sind Schweine zwar unreine Tiere, deswegen essen sie kein Schweinefleisch. Aber Abbildungen von Schweinen können doch nicht unrein sein.“ Sogar Muslime selbst verurteilen die Zensuraktion. „Die meisten Muslime stören sich nicht an solchen Gemälden. Das tun höchstens einige wenige ultraorthodoxe“, sagt Habib El Kadaoui vom Verband „Marokkanischer Niederländer“.

Doch die Zensuraffäre ist kein Einzelfall. Überall in den Niederlanden wird die Kunstfreiheit immer mehr eingeschränkt. Im Rathaus von Huizen wurden Gemälde, die Frauen oben ohne zeigten, abgehängt, das gleiche Schicksal erlitten in einem Rotterdamer Kulturzentrum Gemälde von nackten surinamischen Frauen. In beiden Fällen hatten Muslime protestiert.

Und im vergangenen Dezember gab es allen Ernstes Forderungen, dass der heilige St.Nikolaus auf seiner Bischofsmütze kein Kreuz mehr tragen dürfe, weil das andere Religionsgemeinschaften provoziere.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2010)

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