Marginalie: Grazer Vorlieben für Seifenblasen

Graz ist bereits voll von Luftschlössern. Doch die Baumeister bauen munter weiter.

Die Schubladen, in denen diverse Stadtentwicklungsprojekte, -visionen, und -versprechen der Grazer Politiker verstauben, quellen seit Jahren über. Regelmäßig wird Neues hineingestopft, regelmäßig Altes wieder herausgezupft. Jetzt also die Idee einer Seilbahn entlang der Mur – wieder einmal. Schon in den 1990ern sorgten derartige Vorschläge für schnell abebbende Stürmchen im lokalen Wasserglas.

Von der Stadtgrenze im Norden schnurstracks Richtung Süden, dann weiter entlang der Autobahn zum Flughafen und einem Schotterteich-Freizeitpark würde man demnach in Zukunft gondeln können. 60Millionen Euro soll das Projekt kosten, auf einer 18Kilometer langen Trasse könnten 250Gondeln kursieren und stündlich bis zu 20.000Passagiere transportieren.

Seit der Chef der stadteigenen Betriebe der Öffentlichkeit eine entsprechende und wenig überraschend positive Machbarkeitsstudie als Einstandsgeschenk für seine Wiederbestellung überreicht hat, schwellt die öffentliche Begeisterung von Politikern, Wirtschaftsvertretern und Tourismusexperten stündlich an.

Tatsächlich kann jede Stadt eine zusätzliche Sehenswürdigkeit und eine Alternative zum zunehmend stockenden Autoverkehr gut gebrauchen. Dennoch umweht die Seilbahn schon pränatal der Hauch einer weiteren fantasieanregend schillernden städtebaulichen Seifenblase, die wieder zerplatzen wird. Zum einen ist die Idee nicht neu. Zum anderen existiert in Graz bereits eine ganze Allee von Luftschlössern, die in den vergangenen Jahren mit visionärer Euphorie und theoretischer Expertise errichtet wurde. U-Bahn-Schleifen gehören ebenso dazu wie der Vorschlag einer Wiederbelebung des Schiffverkehrs auf der Mur, Ideen für eine Großgarage im Schlossberg und eine Gürtelstraßenuntertunnelung des gesamten Ostens der Stadt waren ebenso dabei wie eine Art Magnetschwebebahn für genau dieselbe Route, auf der jetzt die Seilbahn pendeln soll. Realisiert wurde nichts.

Im wirklichen Leben scheitert man an Radwegtrassierungen, der Installierung eines städtische Leihfahrradsystems, dem Bau von Park-&-Ride-Anlagen oder dilettiert bei Straßenbahnverlängerungen. Aber in der allgemeinen Freude über die „Wiederbeatmung“ alter Fantasien werden nur vereinzelt und leise Bedenken laut, eine Stadt, die mit rund 1,3Milliarden Euro verschuldet ist, hätte vielleicht andere Sorgen als eine Flachlandseilbahn.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2010)

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