Anschwellender Glaubenskrieg im deutschen Feuilleton

Islam-Debatte: Thilo Sarrazin, Matthias Matussek und Henryk M. Broder reagieren auf Patrick Bahners Buch, das „Die Panikmacher“ analysiert.

Mit mächtigen Meinungsmachern sollte man sich besser nicht anlegen. Die schlagen hart zurück! Damit aber wird der Feuilletonchef der „FAZ“ gerechnet haben. Patrick Bahners' Buch „Die Panikmacher“ (Beck-Verlag, 320 Seiten, 20,60 Euro), in dem er vor allem etwas Vernunft in die Islam-Debatte seines Landes einbringen will, kam am Wochenende in den Buchhandel. Es wurde am Samstag in der „Presse“ wohlwollend rezensiert, weil es unaufgeregt, wenn auch zuweilen mit Häme und Langatmigkeit Schwachpunkte heftiger Islam-Kritiker analysiert, ohne die Probleme zu leugnen. In der „Süddeutschen Zeitung“ sprach Feuilletonchef Thomas Steinfeld gar von einem „Meisterwerk der Aufklärung“.

Die Reaktion der Kritisierten ließ jedoch nicht lange auf sich warten. In der „Welt am Sonntag“ hatte der streitbare Publizist Henryk M. Broder, der seit Jahren eindringlich vor der Selbstaufgabe des Westens warnt, Gelegenheit zur Erwiderung. Bahners habe ein großartiges Buch geschrieben, meint er einleitend, um ihn im nächsten Halbsatz erbarmungslos zu diffamieren. Großartig sei, was der Autor, „der zu den klügsten Köpfen im Land gezählt wird, über sich selbst offenbart: die Angst des Intellektuellen vor der Wirklichkeit, der er durch Flucht in eine Welt aus Wollen und Vorstellung zu entkommen versucht“. Der Kollege solle die Augen aufmachen, empfiehlt Broder im Titel und erinnert an den Terror vom 11.9.2001. Bahners streife dieses Ereignis nur mit wenigen Worten: „Es ist diese Kaltschnäuzigkeit eines Dobermanns, gepaart mit intellektueller Anmaßung, welche die Lektüre von Bahners Streitschrift zu einer emotionalen Strapaze macht.“

Strapaziert wurden auch die Nerven des sensiblen Matthias Matussek. In der Online-Ausgabe des Magazins „Der Spiegel“ schoss der streitbare Publizist noch am Samstag unter dem Titel „Dschihad im Feuilleton“ zurück. Er bezeichnet Bahners als „Frankfurter Feuilleton-Häuptling“, macht sich in ähnlicher Manier über Steinfeld („SZ“), Bundespräsident Christian Wulff und Wolfgang Schäuble lustig. Dass er den derzeitigen Finanzminister im anschwellenden Glaubenskrieg zwischen richtigen Männern wie ihm oder Broder und Feuilleton-„Aufklärern“ als Innenminister bezeichnet, entspricht in etwa dem Niveau dieser Invektive. Matussek ist eben ein grober Klotz. Laut „Die Welt“ musste er 2007 die Leitung des Kulturressorts beim „Spiegel“ wegen seiner „unangemessenen Umgangsformen“ und seinem „Hang zur Cholerik“ abgeben.

Feiner verhielt sich dagegen die „FAZ“ am Samstag. Sie gab Ex-Bundesbanker Thilo Sarrazin, der mit seinem Bestseller „Deutschland schafft sich ab“ als einer der großen Panikmacher kritisiert worden war, ausgiebig Raum für eine Replik. Bahners habe „ein sehr zorniges Buch“ geschrieben, behauptet Sarrazin, suche „maximale Vergeltung“. Er sieht viele seiner Aussagen verfälscht. So wie die Autorin Necla Kelek und viele andere werde er diffamiert. Das sind erstaunliche Vorwürfe gegen einen braven Analytiker. Sarrazin plädiert für Offenheit und Fairness. Damit hat er recht. Alle Beteiligten sollten das beherzigen.

E-Mails an: norbert.mayer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2011)

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