Naschmarktphilosoph kontra Bastelbuchautor

Henryk M. Broder legt in der „Welt“ gegen jene nach, die in ihm den Wegbereiter des aggressiven Antiislamismus sehen.

So rasch kommt Henryk M. Broder nicht zur Ruhe. Erst vor gut einer Woche hat sich der pointensichere Autor in einem – auch in der „Presse“ abgedruckten Beitrag – dagegen verwehrt, von genauso pointensicheren Kollegen zum geistigen Ziehvater des norwegischen Attentäters Breivik erklärt zu werden. „Breivik wusste, dass er seine Tat ,rational‘ begründen muss“, so Broder. „Und das hat er nicht bei mir und Thilo Sarrazin gelernt, sondern bei Mohammed Atta und Osama bin Laden.“

Doch so bald geben jene, die es nicht für Zufall halten, dass Broder in Breiviks Manifest zitiert wurde, nicht auf – also musste er am Wochenende in der „Welt“ nachlegen: Immerhin war er von einem nicht näher genannten „Wiener Naschmarktphilosophen“ – gemeint ist der Journalist Robert Misik – in der deutschen „taz“ glatt der „Mittäterschaft“ geziehen worden: Man sollte „Broder & Co. nicht einfach so damit durchkommen lassen“, ist Misiks unverhohlen aggressiver Befund. Die „Berliner Zeitung“ rief einstweilen zum Ratespiel auf und ließ ihre Leser fröhlich vermischte Zitate aus Breiviks Manifest und Broders Buch „Hurra, wir kapitulieren“ dem richtigen Autor zuordnen (was, Selbstversuch, bei vielen Zitaten gelingt, aber nicht bei allen!). Und die „Frankfurter Rundschau“ sieht in Broders Schriften das „Entrebillet für den aggressiven Antiislamismus“.

„Selbst wenn ich Bastelbuchautor wäre, hätte Breivik gemordet“, kontert nun Broder und holt zu einem langen Exkurs über Kurt Tucholsky aus: Der war der Prototyp des politischen Schriftstellers, er wollte „Deutschland vor sich selber retten“ und resignierte, als er merkte, dass ihm das nicht gelingen würde. „Wenn das gesagte und geschriebene Wort die Wirkung hätte, die ihm angeblich innewohnt, dann wäre in Deutschland, der Hochburg des Humanismus, das Nazi-Pack nie an die Macht gekommen“, so Broder. Und wenn Kollegen nun mutmaßen, er könne mit seinen Schriften tatsächlich einen Versager zu einem Attentäter machen, wenn sie annehmen, sein Wort hätte tatsächlich so viel Gewicht, dann spreche daraus in erster Linie Neid. „Sie würden das halbe Weihnachtsgeld opfern, um wenigstens einmal von einem Minister als Ideenlieferant erwähnt zu werden.“

Das klingt – bei aller polemischer Attacke gegen die neidischen Kollegen – reichlich defensiv. Und irgendwie verdreht. Würde er islamischen Hasspredigern dieselbe Wirkungslosigkeit attestieren?

Wie ungerechtfertigt die Anwürfe gegen Broder sind, wie weit er in seiner Kritik an den antiaufklärerischen und antifeministischen Tendenzen des Islam von den „Daham statt Islam“-Propagandisten entfernt ist, erschließt sich, wenn man die Postings zu seinen Artikeln liest. Zwar bekommt er dort durchaus Applaus von ganz rechts, allerdings mit so deutlichen wie sprechenden Einschränkungen: „Unschön ist, dass er noch immer den Humanismus anhimmelt.“

E-Mails: bettina.eibel-steiner@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2011)

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