„Ozapftis“: Bayern sendet Trojaner aus

Bayerische Sicherheitsbehörden haben offenbar spezielle Software in Computer von Bürgern implantiert, um diese auszuspähen.

Von „Staatstrojanern“, „Bundestrojanern“ und „Landestrojanern“ schreiben deutsche Zeitungen. Wie der Hackerverein „Chaos Computer Club“ aufgedeckt hat, haben bayerische, vielleicht auch bundesdeutsche Behörden spezielle Software eingesetzt, um Bürger auszuspähen. Die Software wurde in einem Fall bei einer Zollkontrolle auf den Computer des Kontrollierten überspielt.

Unter Trojanern versteht die Computerwelt Programme, die als nützlich getarnt sind oder sich ganz unbemerkt einschleichen. Jedenfalls tun sie im „geenterten“ Computer etwas, was nicht im Interesse von dessen Betreiber ist. Oft ganz im Gegenteil. Wie einst das hölzerne Pferd, das die Griechen, die Danaer, den Trojanern nicht explizit schenkten, aber überließen. In seinem Bauch warteten griechische Soldaten.

Der Trojaner ist also, streng gesprochen, kein Trojaner, sondern ein Transportmittel der Gegner der Trojaner. Egal. In der Computermenschensprache zählen die Trojaner zu den „Schadprogrammen“, auch „Malware“ genannt. Von einem Virus unterscheidet sich ein Trojaner vor allem dadurch, dass er sich nicht selbstständig weiterverbreitet. Er infiziert nur einen Wirt. Aber beide sind mit (böser) Absicht gemacht: Das Wort „Computervirus“ ist täuschend, da es impliziert, dass dieses Programm von selbst entstanden sei. Nein, im Computer regiert nicht der Darwinismus, sondern Intelligent Design: In silico hat jedes Virus einen Schöpfer.

Jeder Trojaner auch. Diesfalls hat er sogar bayerischen Humor bewiesen: Er enthält – wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet – eine Funktion namens „Ozapftis“, die es erlaubt, beliebige Programme zu starten, um auf Informationen auf dem befallenen Rechner einwirken zu können.

Der bayrische Innenminister versichert, es sei „klar, dass das Landeskriminalamt ausschließlich rechtlich zulässige, von Ermittlungsrichtern angeordnete Maßnahmen durchgeführt hat“. Es würden „Missverständnisse verbreitet“ und „falsche Behauptungen in die Welt gesetzt“. „Legal, illegal, scheißegal – ist der alte Sponti-Spruch manchmal die Maxime von Behörden beim Kampf gegen das vermeintliche Böse?“, fragt dagegen die „Süddeutsche“: „Tummeln sich die echten freien Radikalen im Staatsdienst?“

Welcher deutsche Beamte in welcher Behörde zuerst die listige Idee hatte, Trojaner einzusetzen, ist bisher unbekannt. Vor Troja war es, wenn man Homer glauben darf, der listenreiche Odysseus, Liebling der Athene, Göttin des Weisheit. Das hölzerne Pferd sei ein Weihgeschenk der Griechen für diese, das redete der griechische Held Sinon den Einwohnern von Troja ein, darum dürften sie es nicht zerstören, sondern sollten es lieber in ihre Stadt transportieren, wo es ihnen Glück bringen werde.

Hat es nicht gebracht. Man soll nicht auf griechische Helden hören. Lieber auf Kassandra. Oder halt auf den Chaos Computer Club.

E-Mails an: thomas.kramar@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2011)

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