Danke, ORF! Bisweilen lässt du in der Flüchtlingskrise lachen.

Warum werden Kurz und Mikl-Leitner mit ihren Ideen von Werten und Asylantenpolitik nicht erst genommen?

Mitunter gibt es selbst in Zeiten wie diesen Anlässe zum Kopfschütteln. Oder zum Kopfzerbrechen? Zum Nachdenken, zum Grübeln? Da war vor geraumer Zeit in der „Wiener Zeitung“, immerhin dem Presseorgan der Republik, zu lesen und auch in Gestalt eines mehrspaltigen Fotos zu sehen, dass sich in Österreich Angst breit gemacht habe. Es werden heutzutage mehr Revolver, Pistolen und Gewehre verkauft als früher. Angst um das persönliche Eigentum?

Nicht viel später gab es einen ähnlichen Kurzbeitrag in der „Zeit im Bild“. Wieder stand das mangelnde Sicherheitsgefühl der Menschen im Mittelpunkt. Die Leute fürchten sich. Auch jene, die seinerzeit das, was man heute als Flüchtlingskrise bezeichnet, vor etlichen Monaten noch in den Wind geschlagen hatten.

Es ist interessant, dass diese Hausse in den heimischen Waffengeschäften nicht so publiziert wird, wie es anzunehmen wäre. Das ist gut so. Panik wäre verfehlt, auch – es darf wiederholt werden – auch in Zeiten wie diesen. Dass die Leute gerade heute auch etwas zu lachen haben oder zu schmunzeln, auch dafür hat in jüngster Zeit das ORF-Fernsehen gesorgt. Es hat verständlicherweise auch über die Diskussion um den Begriff „Werte“ immer wieder ausführlich berichtet.

Gewiss, Ahnungslosigkeit war da mit vermeintlicher Ernsthaftigkeit vermengt. Dass die Frage, ob man von den Flüchtlingen – der vieldeutige Begriff soll hier noch erörtert werden – auch dementsprechendes Benehmen, Anstand und „G'hört sich“ einfordern darf, ist endgültig ins Lächerliche abgeglitten, wenn man – wie es in einem anderen Filmbericht zu sehen war – den Tanzmeister der Nation zu Wort kommen ließ.


Darf ich bitten? Besser: Darf ich bitten, solche abgrundtief dumme Beiträge, die Walzer tanzende Jungpaare auf dem Parkett zeigen, nicht als Beispiel des erwünschten Benehmens zu dokumentieren? Nein, es wird sicher noch eine gute Zeit dauern, bis die Asylanten, die bei uns bleiben dürfen, Zeit und Lust haben, „zum Elmayer“ zu gehen.

Wobei die Frage bleibt, welche Werte in unserem Kulturkreis beachtenswert sind. Außenminister Kurz, der auch für die Integration zuständig ist, hat dankenswerterweise seine Vorstellungen zitiert. Warum eigentlich wird er von den sogenannten Linksliberalen diesbezüglich nicht ernst genommen? Warum auch wird Johanna Mikl-Leitner, die Innenministerin, immer wieder angefeindet, weil sie sich dem rhetorischen und publizistischen Gutmenschen-Gewäsch nicht anschließen will?

Das Grübeln und Nachdenken findet – zum dritten Mal: in Zeiten wie diesen – kein Ende. Wer hat recht: die Medienwelt, die der „Willkommenskultur“ huldigt, oder die Volksmeinung? Diese unterscheidet schon lange die Menschen, die über unsere Grenzen strömen, in Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlinge. Bei Letzteren bleibt immer wieder die Frage, wovor sie fliehen, außer vor der Armut. Das Fernsehen – diesmal darf es gelobt werden! – zeigt sie tagtäglich, die vielen jungen Männer, die offenbar nicht Sicherheit, sondern nur (nur?) ein reicheres Leben suchen.

Fürwahr ein Grund zum Sinnieren. Aber Gott sei Dank gibt es dann gelegentlich etwas Heiteres – siehe oben. Es fällt freilich schwer.

Der Autor war langjähriger Chefredakteur und Herausgeber der „Presse“.
E-Mails an: thomas.chorherr@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2015)

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