Fußball und Hymnenforschung: Noch ist Zeit bis zur WM 2018

Die nächste Weltmeisterschaft lässt die Frage offen, warum wir Haydn gegen Mozart getauscht haben.

Noch ist es Zeit bis zur nächsten Fußballweltmeisterschaft. Sie soll im Sommer 2018 stattfinden, und zwar in Russland. Noch darf man hoffen: Wird Österreich teilnehmen können? Die Resultate der Länderspiele in letzter Zeit haben Zweifel aufkommen lassen, aber wie gesagt: Es ist ja noch Zeit. Es ist auch Zeit, sich endgültig zu entscheiden, ob die Bundeshymne auch weiterhin die Heimat „großer Söhne“ besingt oder ob auch die großen Töchter erwähnt werden. Sei's drum: Hauptsache ist ohnehin die Melodie, und die stammt – von wem eigentlich? Wirklich von Mozart? Oder von Johann Baptist Holzer, einem „Claviermeister“ und wie Wolfgang Amadé Mitglied der Freimaurerloge Zur wahren Eintracht?

Nicht die Wurzeln der österreichischen Bundeshymne sollen hier noch einmal erörtert werden. Nicht die Melodie vor allem, die, wie Musikforscher herausgebracht haben wollen, gar nicht von Mozart stammt. Wohl aber darf man rechtzeitig daran erinnern, dass in wenigen Wochen die Hymne als Ganzes ihren 70. Geburtstag feiern wird. Ich wusste es nicht, und ich bin sicher nicht der Einzige, der keine Ahnung hat, dass „Land der Berge, Land am Strome“ demnächst ein reifes Alter erreicht haben wird. Wird es feierlich begangen?

In der Tat: Dass die österreichische Bundeshymne knapp vor dem Siebziger steht, war mir bisher nicht bewusst geworden. Das hätte es sein sollen: Immerhin war ich damals im Gymnasium, als die Bundesregierung am 9. April 1946 beschloss, „zur Schaffung einer neuen österreichischen Volkshymne an die breiteste Öffentlichkeit heranzutreten“. Man veranstaltete ein Preisausschreiben, das 1800 Einsendungen zur Folge hatte. Dass eine neue österreichische Bundeshymne notwendig war, leuchtete ein. Die Ersatzweisen entsprachen nicht den Anforderungen. Da wurde etwa ein „Rot-Weiß-Rot-Lied“ gespielt oder „Oh, du mein Österreich“, bei der Eröffnung des gleichnamigen amerikanischen Besatzungssenders in Salzburg eine „österreichische Ouvertüre“ von Alois Melichar und zum Schluss das „Fiakerlied“: Stellt's meine Roß in Stall. Secht's, des is Weanarisch!


Dem Notenwirrwarr hat der damalige Unterrichtsminister, Felix Hurdes, ein Ende bereitet. Er sorgte dafür, dass die Regierung eine österreichische Jury auswählte, die zur Mozart-Melodie „Brüder, reicht die Hand zum Bunde“ den entsprechenden Text finden sollte. Schließlich wurde entschieden, die Worte auszuwählen, die Paula Preradović gedichtet hatte: „Vielgerühmtes Österreich“. Die Autorin war mit Ernst Molden verheiratet und Mutter des späteren Eigentümers und zeitweiligen Chefredakteurs der „Presse“, Fritz Molden. Ihr Enkel ist der Liedermacher und Schriftsteller Ernst Molden.

Am 25. Februar 1947 beschloss der Ministerrat den Text der neuen österreichischen Bundeshymne, am 7. März 1947 erklang sie zum ersten Mal im Radio. Die Frage, warum die Melodie nicht dieselbe sein konnte wie die letzte österreichische Hymne vor dem Anschluss, ist damals mit dem Hinweis beantwortet worden, dass man nicht singen sollte, wie es sieben Jahre Pflicht war: „Deutschland, Deutschland über alles“. Mozart übertrumpfte Haydn.

Dass seine Melodie mit Textänderung seit Langem wieder die deutschen Fußballer begleitet, stört niemanden. Mozart klingt halt doch mehr österreichisch, oder? Und wer will, kann sich ja auf das „Fiakerlied“ zurückziehen.

Der Autor war langjähriger Chefredakteur und Herausgeber der „Presse“.
E-Mails an: thomas.chorherr@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2017)

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