So wahr mir Gott helfe? Eide, Kreuz und Politikerbilder

Den lieben Gott in das öffentliche Leben zu ziehen, entbehrt nicht einer gewissen Problematik.

Gott ist wieder im Gespräch. Egal wie er genannt wird, wie er heißt, was er bedeutet oder bedeuten soll: Gott ist wieder unter den Menschen. Er mag aus einer der Buchreligionen stammen, also der Bibel entsteigen, dem Koran oder dem Talmud, oder in tausendfacher Weise und ebensolcher Variation auf andere Art dem Bedürfnis der Welt entsprechen, ein Wesen zu akzeptieren, unter dessen Schutz sich sogar Atheisten sicher fühlen, ohne dass sie es zugeben: Gott ist.

Nein: Ich will aus meiner Überzeugung keine Zwangsmitgliedschaft machen. Allein, wenn sogar die Floskel „so wahr mir Gott helfe“ jüngst zur bedeutsamen Formel geworden ist, wird das Christliche wieder in jenen Rang gebracht, der ihm meiner Meinung nach gebührt. Ich bin ein Christ. Bundespräsident Alexander van der Bellen ist keiner.

Da Religion und Staat nichts miteinander zu tun haben sollen, ist der zweite Stichwahlkandidat zu Recht durchgefallen. Das „Gott helfe mir“ war zu wenig, um Norbert Hofer den rechtsradikalen Sieg zu bringen. Mit ihm ist auch H.-C. Strache zum Misserfolg geworden. Einmal ist keinmal, sagt er und wird aufs Neue einen Versuch auf andere Weise probieren.

Strache und Hofer haben vorerst den Sieg in bundesweiten Wahlen in der Tasche. Der sozialdemokratische Obmann Christian Kern kann es sich leisten, die immer mehr zur Kleinpartei schrumpfende ÖVP zu missachten. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner muss sich beim Bund den letzten Umfragen nach mit dem dritten Platz begnügen. Aber nach oben ist noch Platz, heißt es.


Nach oben? Wie man's nimmt. Van der Bellen (kurz und bündig VdB genannt) hat es diesbezüglich leicht. So wahr mir Gott helfe? Der liebe Gott, mein Gott, unser Gott wird es verschmerzen, nicht als Helfer angerufen zu werden. Von den Staatsoberhäuptern seit Kriegsende haben sich die wenigsten einer diesbezüglichen Bitte unterzogen. Nicht so die deutschen. Gott als Beistand anzuflehen, ist dort Teil der Eidesformel. In Österreich kann es der neue Bundespräsident bei der Angelobungsformel halten, wie es ihm beliebt.

Dafür herrschen an anderen Orten andere Sitten: bei Gericht und in den Schulen. Auf dem Richtertisch hat widerspruchslos ein Kreuz seinen Platz. Es gestaltet allfällige Eidesleistungen feierlich und hebt die Verhandlung ins Außergewöhnliche. Während demgemäß eine allfällige Vereidigung („so wahr mir Gott helfe!“) nicht auf Widerspruch stößt, auch bei jenen Zeugen oder Zeuginnen nicht, die es ablehnen, Gott als Helfer anzuflehen, schmücken Kreuze jeweils und bis jetzt fast pflichtgemäß die Wände von Schulzimmern.

In den letzten Wochen und Monaten haben sich freilich darüber ausgedehnte Diskussionen ergeben, ob es notwendig sei, in den Klassenräumen auch das Staatsoberhaupt von der Wand blicken zu lassen. Das Argument, die Bundespräsidenten der Republik Österreich – solche weiblichen Geschlechts hat es bis jetzt noch nicht gegeben – seien vom Angesicht her so bekannt, dass es nicht notwendig sei, sie eigens noch einmal als Konterfei vorzuführen – diese Fleißaufgabe scheint unnütz und paart sich mit der Geste, auch den lieben Gott als Kreuz zu zeigen. Immerhin ist noch niemand auf die Idee gekommen, die Bundespräsidenten als Karikatur aufzuhängen. Aber was nicht ist, kann noch werden. Bei Trump in den USA hat man diesbezüglich keine Probleme.

Der Autor war langjähriger Chefredakteur und Herausgeber der „Presse“.
E-Mails an: thomas.chorherr@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2017)

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