Seltsames Relikt

Magda, die schöne Tochter, war verwirrt. Auf dem Dachboden hatte sie ein seltsames Ding gefunden und in ihr Zimmer verschleppt, um es genauer zu untersuchen.

Magda, die schöne Tochter, war verwirrt. Auf dem Dachboden hatte sie ein seltsames Ding gefunden und in ihr Zimmer verschleppt, um es genauer zu untersuchen. Der Gegenstand war etwa so groß wie ein A4-Blatt, dafür aber fast acht Zentimeter dick. Sie facebookte sofort Freundin Eli an, dann musste auch noch SMS-Kili antanzen, um den fremden Gegenstand zu wiegen, zu wägen.

Um es kurz zu machen: Die jungen Herrschaften waren fasziniert. In 26 Kapitel war der Lesestoff aufgeteilt, der sich nicht elektronisch zoomen oder verkleinern ließ, es handelte sich um bedrucktes Papier! --- Die Informationen waren kurz, prägnant, „wohl ein Werk des Reduktionismus“, wie SMS-Kili altklug dozierte. Abertausende Vor- und Zunamen, Adressen, Festnetznummern. Ein wahres Lesevergnügen, das unsere Jugendlichen schon lang nicht mehr genossen hatten.

„Na, ein Telefonbuch halt“, warf Mutter Cleo in die Runde. Verständnisloses Staunen. Daher erläuterte Cleo, ein bissl umständlich, zugegeben: „Ein Buch – also, das ist ein Medium zwischen zwei Buchdeckeln . . .“ --- Aber da hatten unsere Nachwüchslinge schon wieder die Ohrstöpsel drinnen und tippten wie verrückt. Das musste die ganze Welt erfahren! HWS


E-Mails an: hans-werner.scheidl@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.05.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.