Der arme Marx

Im Sommerloch mag eine Anekdote uns zum Schmunzeln bringen, die wir dem Kreisky-Sekretär Johannes Kunz verdanken.

Im Sommerloch mag eine Anekdote uns zum Schmunzeln bringen, die wir dem Kreisky-Sekretär Johannes Kunz verdanken. Und die geht so. Der Karl-Marx-Hof in Döbling war unter Dollfuß in „Heiligenstädterhof“ umbenannt worden. Die Nazis beließen es dabei.
1945 sollte Karl Marx wieder zu Ehren gelangen, aber der riesige Gemeindebau lag in der US-Besatzungszone. Eine amerikanische Kommission trat zusammen und befragte Joseph T. Simon. Dieser, ein Wiener Sozialdemokrat, war 1937 emigriert, als US-Soldat in die Heimat zurückgekehrt und arbeitete in der Rechtsabteilung des US-Hochkommissärs. Der ließ einen Fragenkatalog los: „Haben Sie Karl Marx persönlich gekannt?“ „War Marx Mitglied in einer Kommunistischen Partei?“ Simon klärte die US-Offiziere auf: dass Marx schon seit 1883 tot war, die UdSSR also gar nicht kannte und auch von Sozialdemokraten geschätzt wurde. Daraufhin erging ein US-internes Rundschreiben: „Es wurde eine Expertise von Mr. Simon von der Rechtsabteilung eingeholt. Mr. Simon ist ausgezeichnet über Marxismus informiert, obwohl er Marx nicht persönlich gekannt hat. Er gab sehr glaubwürdig an, dass Marx gar kein Kommunist war, sondern eher den Sozialisten Wiens nahegestanden ist. Es besteht daher kein Grund, den Namen des Karl-Marx-Hofes zu ändern.“ (hws)

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2014)

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