Manning: Ein Milchgesicht stellt eine Nation bloß

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US-Soldat Bradley Manning steckt mutmaßlich hinter WikiLeaks-Enthüllungen. Der Mann, der die Depeschen der US-Diplomaten mutmaßlich an WikiLeaks lanciert hat, agierte aus verletztem Stolz und Geltungsdrang.

Hätte die Obama-Regierung rechtzeitig ihr Versprechen eingelöst, die Formel „Don't ask, don't tell“ aufzuheben, die Homosexuellen einen Dienst in der Armee nur unter Stillschweigen gestattet, wäre ihr womöglich ein diplomatisches Desaster erspart geblieben. Denn der Mann, der die Depeschen der US-Diplomaten – und zuvor die Dossiers zu Afghanistan- und Irak-Krieg – mutmaßlich an WikiLeaks lanciert hat, agierte aus einem Gefühl von Isolation, verletztem Stolz und Geltungsdrang.

In einem Internet-Chat erzählte der Obergefreite Bradley Manning, ein bekennender Schwuler – sein Lebensgefährte ist eine Drag-Queen –, wie er zum Lady-Gaga-Song „Telephone“ das brisante Material auf seinen Laptop kopiert hat. „Währenddessen lud ich die möglicherweise größte gestohlene Datenmenge in der Geschichte Amerikas herunter“, brüstete sich der 23-Jährige mit dem Milchgesicht, bevor er im Mai aufflog. „Was würdest du tun, wenn du mehr als acht Monate lang sieben Tage die Woche unbegrenzten Zugang zu geheimen Netzen hättest?“, fragte er seinen Gesprächspartner, den Hacker Adrian Lamo. In der Hacker-Gemeinde suchte er jene Anerkennung, die dem Außenseiter, aufgewachsen als Scheidungskind in Oklahoma und Wales, stets versagt blieb.

Aufgrund dieses Dialogs kam die US-Armee Manning auf die Schliche. Sie inhaftierte den Soldaten, einen Spezialisten für Nachrichtenanalyse, nahe Bagdad und verlegte ihn später nach Quantico bei Washington. Vom Pentagon als Verräter geschmäht, von Linken wie Noam Chomsky oder Michael Moore als Held gefeiert, erwartet den Aufdecker eine Höchststrafe von 52 Jahren. vier

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2010)

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