Kleine Dinge, große Wirkung: Sind Politiker instinktlos, oder tun sie nur so?

Üppige EU-Gage und Sozialwohnung, Sonderfahrspur für Politiker und kein „Kavaliersdelikt“, österreichisches Bankgeheimnis und Scheingefechte: unprofessionell oder absichtsvoll.

In der Politik haben oft die „kleinen“ Dinge die größten Auswirkungen. Ein zufälliges Zusammentreffen mehrerer Einzelvorkommnisse kann nämlich eine schlechte Optik und den Eindruck erzeugen, Politiker seien völlig abgehoben. Dann taucht jedes Mal die Frage auf: Sind sie so instinktlos, oder tun sie nur so?

Es hat in Österreich über Jahrzehnte hinweg genügend Vorfälle gegeben, aus denen Parteien, Politiker, Institutionen folgende Lehre hätte ziehen können: Der Hinweis, etwas sei legal oder rechtlich völlig in Ordnung, ist bei den kleinen Dingen in der Politik, wie Wohnverhältnisse der Politiker, Einladungen zur Jagd, Geldkoffer von Schwiegermüttern oder Vorrangfahrten im Dienstauto, völlig sinnlos. Es ist die Optik, stupid!

Warum Politiker in Österreich in diesem Punkt so lernresistent sind, bleibt ihr Geheimnis. Seit Hannes Androschs 100 Anzügen und seiner 14.000-Schilling-Torte in den späten 1970er-Jahren müsste man um die große Wirkung der kleinen Dinge wissen. Auf heute heruntergebrochen heißt das: Vergiss die Milliarden, reg dich darüber auf, dass Margit Spindelegger, Frau des ÖVP-Chefs und Vizekanzlers, die „zusätzliche Belastung“ ihrer „Abordnung“ als Beamtin des EU-Rechnungshofs von Straßburg nach Wien auch noch durch diverse Zulangen abgegolten bekommt – als wäre ein 11.680-Euro-Gehalt nicht genug. Über die Art der Belastungen könnten Kabarettisten sinnieren.

Ganz sicher ist alles legal und durch das EU-Beamtenstatut gedeckt. Wenn aber der ÖVP-Zentrale nicht mehr als dieser Hinweis einfällt, wenn sie Spindeleggers Privatleben – kurioserweise ohne Namensnennung – von Ex-Landeshauptfrau Waltraud Klasnic in einem Gastkommentar verteidigen lässt, dann hat sie nichts begriffen. Jedenfalls nicht das politisch Toxische an der Information von Frau Spindeleggers üppigem EU-Gehalt. Und das liegt in der zeitlichen Nähe zur Debatte um Herrn Spindeleggers günstiges Wohnen, seinem Murmeln über bisher unbewiesene Spenden als Ausgleich. Instinkt hätte der ÖVP-Chef gezeigt, wenn er seine eigene Sozialwohnung vor seinem Kampf gegen den Wiener Gemeindebau selbst öffentlich angesprochen hätte.

Hilflose Reaktionen auf kleine Enthüllungen sind aber nicht Sache der ÖVP allein. Als in der Vorwoche Bundespräsident Heinz Fischer mit einem Staatsgast und Blaulicht in einer Rettungsgasse in Oberösterreich dahinbrauste, fiel seinem Büro nur der Hinweis §26 der Straßenverkehrsordnung ein. So etwas zieht bei den Menschen nicht mehr.

Hat man nichts aus Claudia Bandion-Ortners Busspur-Flop gelernt? Oder an SPÖ-Ministerin Doris Bures gedacht, für die das Befahren der Rettungsgasse kein „Kavaliersdelikt“ ist.

Und dann Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP): Jetzt verteidigt sie in einem vordergründig wahltaktischen Scheingefecht das Bankgeheimnis. Vor der großen Lügenkrise um Zypern hätte sie noch damit beeindrucken können. Jetzt fehlt ihr dazu jede Glaubwürdigkeit. Es fehlt ihr aber offenbar auch jede Sensibilität für den Schaden, den sie mit dieser Spiegelfechterei mit Ablaufdatum punkto Vertrauen in die Politik anrichtet.

Es würde sich lohnen, Zusammenhänge zu bedenken. Etwa, dass Margit Spindelegger im RH für die Kontrolle der EU-Agrarsubventionen zuständig ist, welche der ÖVP bei ihrer Bauernklientel derzeit Probleme machen.


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2013)

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