Die gute Frau vom Burgtheater - Darf's a bissl weniger Gage sein?

Die interimistische Direktorin Karin Bergmann verdient nicht so viel wie Matthias Hartmann, hinter dem sie nun aufräumen muss. Ein typisch weibliches Spektakel.

Der Frauentag war zwar schon vor zwei Wochen, aber der aktuelle Anlass ist jetzt da. Im Radiointerview erklärte die Übergangsdirektorin des Burgtheaters, Karin Bergmann, dass ihr Bezug als Intendantin schon in Ordnung gehe, aber doch deutlich geringer sei als jener ihres Vorgängers, des fristlos entlassenen Matthias Hartmann. Auf die Frage, um wie viel, meinte sie nur: Es stehe eine andere Zahl vorne, was so viel bedeuten muss wie: Unter 200.000 Euro gegenüber den kolportierten 230.000 für Hartmann.

Da haben wir jetzt ein klassisches Beispiel, wie ein und dieselbe Sache von zwei Seiten betrachtet werden kann. Man kann es so sehen: Ein Mann hinterlässt einen Scherbenhaufen, die Verantwortung für die Beseitigung desselben wird dann einer Frau übertragen. Sie darf sich sozusagen mit dem Mist, den er gebaut hat, profilieren oder an ihm scheitern. Das provoziert schon das traditionelle Bild von der Frau, die hinter einem Mann aufräumen muss.

Oder man kann es so sehen: In Krisenzeiten müssen eben Frauen retten, was noch zu retten ist. Erfolg ist ihnen dabei eher zuzutrauen, weil sie sich mit „Mängelverwaltung“ besser auskennen, sich testosteronfrei der Realität stellen und mehr Fantasie entwickeln. Das wiederum provoziert das Bild der Hausfrau, die mit wenig auskommt, während der Mann den Rest verprasst hat.

Welche Sichtweise man wählt, hängt vom jeweiligen Standpunkt ab. Eines sollte aber in beiden Lagern verwundern und in Frage gestellt werden: Karin Bergmann hätte für ihre Aufräumarbeiten nicht weniger, sondern mehr an Gage verlangen müssen als Hartmann hatte.

Warum? Das Theater um die Burg, Regie Hartmann, hat auch die Regierung und den zuständigen Minister unter Druck gesetzt. Joseph Ostermayer musste rasch und entschlossen handeln, um der Burg und seines eigenen Images willen. Er war also in einer klassischen Zwangssituation und brauchte dringend eine rasche Zusage Bergmanns. In der normalen Arbeitswelt würde man sich bei so einer Zwangslage des Gegenübers das Himmelfahrtskommando teuer abgelten lassen. Die männliche Formel heißt: Brandeilig plus kurzfristig = teuer.

Mag schon sein, dass die Leitung des Burgtheaters nichts mit der normalen Arbeitswelt zu tun hat und ein sogenannter Ehrenbonus ideeler Bestandteil des Gehalts ist. Aber warum dann nur bei einer Frau? Ein Mann hätte in der politischen Notlage Ostermayers wahrscheinlich viel härter verhandelt und bei Kritik an der Höhe der Gage in einem finanzmaroden Betrieb sinngemäß so argumentiert wie Hartmann seinerzeit: „Sie wollten den Besten. Sie haben ihn bekommen.“ Oder: Aufräumen kostet eben etwas. Oder: Unter diesen Umständen ist eine Erschwerniszulage angebracht.

Bergmann dürfte nichts von all dem vorgebracht haben. Im Gegenteil, sie hat sich sogar herabstufen lassen. Eigentlich hätte sie Ostermayer eine geharnischte Forderung auf den Tisch knallen und bei Nichterfüllung sagen können: Dann halt nicht. Eine Idealistin muss man halt sein.

Bergmann hätte zusätzlich ein anderes Dilemma Ostermayers ausnützen können: Er war ja unter Druck, mit einer tatkräftigen Entscheidung die Tatsache verdecken zu müssen, dass er Bundestheaterchef Georg Springer aus Rücksicht auf dessen SPÖ-Vernetzung nicht zur Verantwortung gezogen hat. Darüber wäre dann geredet worden. So gesehen hat Bergmann auch den beiden Männern aus der Patsche geholfen.

Vor etwa drei Jahren hat die Rektorin der Akademie der Bildenden Künste, Eva Blimlinger, ihre Berufung damit erklärt, dass Frauen eben gerne zur „Mängelverwaltung“ herangezogen werden. Das heißt: Männlich besetzte Berufungsinstanzen überlassen in mageren Jahren gerne Frauen die Sanierungsarbeiten. Blimlinger wurde damals an dieser Stelle für einen eklatanten Mangel an Selbstwert kritisiert. Dem hat sie heftig widersprochen. Wie schon gesagt: Ein und dieselbe Sache, zwei Seiten!

E-Mails an:debatte@diepresse.com

Zur Autorin:

Anneliese Rohrer
ist Journalistin in Wien: Reality Check http://diepresse. com/blog/rohrer

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2014)

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