Eine Frage der Kontrolle und des vorauseilenden Gehorsams

Die Pleiten und Pannen von 2014 und früher haben eines gemeinsam: stümperhafte Aufsicht. An einigen Fallbeispielen lässt sich der Hintergrund gut ausleuchten.

Unschwer lässt sich im Rückblick auf das Jahr 2014 oder auf länger zurückliegende „Skandale“ eine Gemeinsamkeit erkennen: Jeder Fall wurde als Frage der Kontrolle gesehen. Das wurde post festum immer wieder festgestellt. Mit Bedauern natürlich, das war's dann! Die Suche nach Verantwortung konnte so umgehend eingestellt werden.

Im Wiener Burgtheater war vom „Versagen der Kontrolle“ die Rede; im Prozess der Stadt Linz gegen die Bawag von nicht vorhandener Kontrolle durch den Aufsichtsrat; beim Desaster um die Hypo Alpe Adria von einem Kontrollfiasko auf allen Ebenen. Beim Salzburger Finanzskandal kam überhaupt zu Tage, dass eine Kontrolle der Finanzgeschäfte politisch „nicht erwünscht“ war.

Wie aber kann es sein, dass in einem so überschaubaren Land flächendeckend die vorhandenen Kontrollmechanismen immer wieder zusammenbrechen? Über die Zeit summiert sich der Schaden für die Steuerzahler ja auf Milliarden. Wozu gibt es Aufsichtsräte, Bankenaufsicht, Finanzmarktaufsicht etc. In dem Wort „Aufsicht“ steckt doch die Bedeutung: Beobachtung, Kontrolle, Überwachung.

Jedes Mal wenn ein Debakel publik wird, werden alle möglichen Erklärungen angeboten. Im Burgtheater konnte sich der Geschäftsführer Matthias Hartmann als Künstler ja nicht auch noch um Geschäftliches kümmern, und der Aufsichtsrat hatte keine entsprechenden Informationen. Hatte diese auch nicht verlangt. In Linz, so war im Prozess im Dezember 2014 zu hören, könnte den politisch ausgewählten Aufsichtsräten doch nicht auch noch das nötige Wissen für ein kompliziertes Swap-Geschäft abverlangt werden. Bei der Hypo Alpe Adria haben sowieso alle Aufsichtsorgane von Klagenfurt bis Wien an Sehschwäche gelitten, verblendet vielleicht, politisch vernebelt und/oder unwissend ganz sicher.

Das kann jedoch nicht alles sein. Es muss tiefere Gründe geben, wenn sich berufene Instanzen in bestimmten Fällen so auffallend häufig entscheiden, nichts zu beobachten, nichts zu kontrollieren, nichts zu überwachen. Oder andere, sich bemüßigt fühlen, nicht Alarm zu schlagen. Die mögliche Erklärung: In der Liebe zum vorauseilenden Gehorsam soll uns niemand übertreffen. Darunter ist die freiwillige Erfüllung möglicher oder auch nur erahnter Wünsche wirklicher oder vermeintlicher Autoritäten zu verstehen.

Das heißt, man glaubt zu wissen, was erwünscht ist und was nicht und handelt entsprechend, ohne dass diese Handlung ausdrücklich eingefordert wird.

Die Motivation für die freiwillige Realisierung bestimmter Wünsche liegt einerseits im Bemühen, den zu erwartenden Druck zu vermeiden, andererseits in der Erwartung persönlicher oder karrieretechnischer Vorteile. Bricht dieses Kartenhaus der Kontrollvermeidung dann zusammen, findet sich immer jemand, dem die Schuld zuzuschieben ist. Im Burgtheater war es die Ex-Geschäftsführerin Silvia Stantejsky zum Beispiel, in Salzburg war es die Referatsleiterin Monika Rathgeber, in Linz ein unbedarfter Finanzreferent, in Klagenfurt der verstorbene Jörg Haider.

Bleiben wir bei diesem für die Steuerzahler so besonders schmerzhaften Beispiel: Die Bankenaufsicht in Österreich obliegt der Nationalbank. In der Causa Hypo, so steht es im Bericht der Untersuchungskommission „erfüllt die OeNB ihre Aufgabe nicht“. Man ahnt, warum. Es wurde das politisch Erwünschte angenommen, denn um eine Anweisung konnte es sich bei der unabhängigen Nationalbank nicht handeln. In den Jahren davor wussten die Aufsichtsorgane ohnehin, was von Schwarz-Blau gewünscht wurde. Da haben sich viele gehütet, zu beobachten und zu überwachen.

Solange in Österreich auf allen Ebenen die Vollstreckung „gefühlter“ politischer Begehren wichtiger ist als die korrekte Wahrnehmung konkreter Aufgaben, solange kann man sich den Ruf nach verstärkter Kontrolle sparen. Ein wenig mehr Zivilcourage aber könnte da schon Wunder bewirken.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zur Autorin:

Anneliese Rohrer
ist Journalistin in Wien: Reality Check http://diepresse. com/blog/rohrer

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.01.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.