Am Beispiel der Zentralmatura: Auslagern, abputzen, abwimmeln

„Outsourcing“ ist seit Langem das Zauberwort, um Bürokratiekosten zu verschleiern. Wenn die Sache dann teurer wird, ist niemand verantwortlich.

Es muss schön sein, heuer ein Zentralmaturant zu sein. Der Pfusch, den das Unterrichtsministerium unter Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) mit dieser Neuerung im Schulwesen seit Monaten veranstaltet, eröffnet nämlich ungeahnte Möglichkeiten: Bei einem derartigen Vertrauensverlust in die Durchführung wird man nahezu alles und auch jede Beurteilung beeinspruchen können. Und alle würden es verstehen.

Bevor es aber in drei oder vier Monaten so weit sein wird, würde uns brennend die Antwort des Ministeriums auf folgende Frage interessieren: Wie kann es sein, dass die Abwicklung einer an und für sich guten Sache handwerklich derart verhunzt werden kann? Warum kann Österreichs Bildungsressort und die angeschlossene Bürokratie nicht bewerkstelligen, was in anderen Staaten seit Jahrzehnten reibungslos funktioniert?

Während wir auf die Antwort vom Minoritenplatz warten, nur so viel: Der Murks mit der Zentralmatura erhält besondere öffentliche Aufmerksamkeit. Das liegt am Thema. Er ist jedoch nur symptomatisch für ähnliche, meist unbeachtete, Vorgänge in anderen Ressorts. Sie alle haben einen gemeinsamen Ursprung: den Schwindel mit der sogenannten Ausgliederung staatlicher Aufgaben oder, wenn man so neudeutsch will, mit dem viel gerühmten „outsourcing“. Am Beispiel der Zentralmatura lässt er sich mühelos nachweisen.

Unter Claudia Schmied wurde im Jänner 2008 die Errichtung des Bundesinstituts für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung (bifie) beschlossen. Neue Posten wurden geschaffen, Parteigänger versorgt. Die willkommene Nebenwirkung: Die Kette der Verantwortung zum Ministerbüro ist unterbrochen. Wenn etwas schiefgeht, ist das BIFIE oder die von ihm beauftragten Firmen (bisher Computergau mal zwei), jedenfalls nicht der Abteilungsleiter, Sektionschef oder die Ministerin schuld.

Der Schwindel wird aber flächendeckend praktiziert. Es wird auf Teufel komm raus ausgegliedert, ausgelagert, outgesourced, um an Beamtenzahl und Personalkosten zu sparen. Das jeweilige Ressort kann sich besonderen Sparwillen auf seine Fahnen heften. Es spielt keine Rolle, dass die Erledigung gewisser Aufgaben dadurch für das Ministerium und damit für den Steuerzahler teurer wird. Die Planstellen wurden öffentlichkeitswirksam reduziert, die Personalausgaben gesenkt. Der Mehraufwand bei Sachausgaben interessiert niemanden.

Die für die Politiker eben angenehme, für die Bürger aber schädliche Nebenwirkung ist die Flucht aus der Verantwortung. Wenn in Rumänien von einem Server österreichische Daten gestohlen werden, wenn irgendwo ein Server zusammenbricht und Schüler am Hochladen ihrer vorwissenschaftlichen Arbeit verzweifeln, so geht das offenbar weder einen Abteilungsleiter noch einen Sektionschef und schon gar nicht die zuständige Ministerin etwas an, nicht wahr? Wenn eine Firma für einen Auftrag der Bürokratie mehrere hunderttausende Euro für etwas verlangt, was im Haus um einige zehntausend hätte erledigt werden können, so lässt sich die Verantwortung auch nicht mehr zurückverfolgen. Und keiner will's gewesen sein.

Der Trick mit der Auslagerung erspart politisch Verantwortlichen jegliche Rechtfertigungen. Ziemlich schonungslos hat das ein hoher Wiener Politiker zugegeben: Hätte das Rathaus ein Bauprojekt selbst durchgeführt, wäre es ja dafür auch verantwortlich gewesen. Da sei der Rathausmann davor! Also um des Schönfärbens bei Personalkosten und des Wegschiebens und/oder Verschleierns von Zuständigkeiten willen, wird man doch handwerklichen Pfusch noch tolerieren können, oder?

So gesehen wirkt der Werbespruch auf der Webseite des BIFIE zynisch: „Die Zeit ist reif. Mit Sicherheit ist es die bessere Matura. Eine faire Prüfung.“ Wenn nicht, haben die Maturanten trotzdem etwas für das Leben gelernt: Schuld sind immer die anderen! Politische Bildung am lebenden Objekt, sozusagen.

Zur Autorin

Anneliese Rohrer ist Journalistin in Wien: Reality Check http://diepresse.com/blog/rohrer

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2015)

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