Zwei ungleiche Wahlen, eine Flucht in die Selbstbeschwichtigung

Anlass zur Sorge bei gespenstischen Ähnlichkeiten in den USA und Österreich: Die Kandidaten meinen ja nicht, was sie sagen, es wird schon nicht so schlimm werden.

Noch nie haben wir es so gründlich vermasselt!“ Wer hat das in letzter Zeit über seine eigene Partei gesagt? A) Werner Faymann, Vorsitzender der SPÖ, B) Peter McDonald, Generalsekretär der ÖVP oder C) ein Funktionär der konservativen Republikaner in den USA? A und B wären möglich, aber wegen der erforderlichen Selbsterkenntnis eher unwahrscheinlich. Die richtige Antwort ist C, wie einem Kommentar der „New York Times“ zum (un-)aufhaltsamen Aufstieg des Millionärs Donald Trump zum Präsidentschaftskandidaten zu entnehmen war.
Es gibt absolut nichts, was einen Vergleich der USA mit Österreich, des Rennens um die Präsidentschaft dort mit der Hofburg-Rallye hier oder des New Yorkers Trump mit dem Burgenländer Norbert Hofer auch nur irgendwie rechtfertigen würde. Und doch, es gibt drei Auffälligkeiten, die eine geradezu gespenstische Parallele ergeben. Gespenstisch deshalb, weil sie die Frage provoziert: Was ist hier los? In zwei so unterschiedlichen Ländern, die weder von der Größe, noch von der Geschichte, noch von der Wirtschaftskraft oder der Struktur der Gesellschaft her irgendeine Gemeinsamkeit haben, zeigen sich ganz ähnliche Tendenzen. Die einzige Klammer zwischen beiden ist ihre Verfasstheit als westliche Demokratie.
1. Erst kürzlich hat Trump verkündet, er werde seine ganze Kampagne unter das Motto „America first“ stellen. Es ist nicht anzunehmen, dass der politische Sonderling aus Manhattan den Schlachtruf des freiheitlichen Burgenländers „Österreich zuerst“ kennt oder weiß, dass dieser aus Jörg Haiders Fundus hervorgeholt wurde. Amerika oder Österreich zuerst, eine Parole der Abschottung und des Nationalistischen jedenfalls.
2. Die beiden traditionellen Parteien, Republikaner und Demokraten, haben in den USA die Wut, den Ärger und die Verunsicherung großer Teile der Wählerschicht genauso negiert wie SPÖ und ÖVP hier. Die Nomenklatura der beiden Parteien weiß da wie dort nicht, damit umzugehen. Der Zulauf zu Trump lässt sie fassungslos zurück. Nicht anders reagierten SPÖ und ÖVP auf den Zorn, der sich am 24. April entlud und beide Parteien mit insgesamt 22 Prozent marginalisierte. Wenn Werner Faymann und Reinhold Mitterlehner am Tag danach versicherten, „Wir haben verstanden“, dann muss man fragen: Wie taub waren sie vorher?
3. Kenner der politischen Gegebenheiten der USA versuchen zu beschwichtigen: Trump werde nicht tun, was er sagt, man müsse das nicht so tragisch nehmen, so schlimm werde es schon nicht kommen. Ähnliche Töne begleiten nun auch Norbert Hofer. Die politische Realität werde ihn schon einholen, nur keine Sorge.
Man muss nicht einmal sein Geschichtsbewusstsein oder die Rückblende auf die 1930er-Jahre bemühen, um dies beunruhigend zu finden – in den USA und hier. Wenn diese Selbstbeschwörung und -beschwichtigung alles ist, was uns 80 Jahre danach zu Trump und Hofer einfällt, dann haben wir ein wirkliches Problem. Es sollte nachdenklich machen, dass beide die gleiche Reaktion auslösen.

Trump hat erst jüngst bekräftigt, er werde als US-Präsident alles durchsetzen, was er im Wahlkampf versprochen habe – vom Einreiseverbot für alle Muslime bis zur Strafverfolgung von Frauen, die abtreiben. Hofer verspricht uns nur, dass wir uns noch wundern werden. Eine Präsidialrepublik mit dem Bundespräsidenten als Regierungschef könnte dazugehören.
Lächerlich? Dazu müsste die Verfassung mit Zweidrittelmehrheit geändert und dies einer Volksabstimmung unterzogen werden! Undenkbar? Es könnte eine Situation entstehen, in der sich Politiker und Bevölkerung dazu hergeben. Aber jetzt nur Wahlkampfgerede?
Und die ehemals staatstragenden Parteien sind weiter ratlos. „Vielleicht sollte man uns wirklich in die Wüste schicken, damit wir endlich herausfinden, was wir bei unseren eigenen Wählern nicht mehr verstehen.“ Hat wer gesagt? Keiner von SPÖ oder ÖVP jedenfalls.

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Zur Autorin:

Anneliese Rohrer
ist Journalistin in Wien: Reality Check http://diepresse. com/blog/rohrer

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