Die Entzauberung des Josef P.

Fehler bei Personal, Partei, Perspektive. Der Finanzminister muss der Regierung einen überraschend großen Reformwurf abringen, sonst hat er sein politisches Kapital vergeudet.

Noch ist die Hoffnung nicht tot, weil sie ja bekanntlich zuletzt stirbt. Und zuletzt ist erst nach Ende der Regierungsklausur. Bis dahin sollte man die Hoffnung nicht aufgeben, Finanzminister Josef Pröll werde mit einer ganz großen positiven Überraschung Budget, Einsparungen und Reformen, wie mehrmals angekündigt, wieder „ins Lot“, also in Ordnung, bringen; der größte Wurf seit 1945 werde doch gelingen; Pröll habe das Budget 2011 nur so lange hinausgezögert, weil er die Nation mit substanziellen Reformen in Staunen versetzen wollte.

Zugegeben, alle Fakten sprechen dagegen: Den Budgetkrampf bis zum letzten Drücker hätte es eigentlich nicht geben dürfen, weil Pröll die Verzögerungen (und somit den Bruch der Verfassung) immer mit dem Satz erklärt hat, Qualität ginge vor Eile. Wozu dann die monatelange Geheimnistuerei?

Oder die Tatsache, dass es Prölls „Konklave“ zur Verwaltungsreform nie gegeben hat, sich die Bundesländer jegliche Reformmühen überhaupt ersparen dürfen und sich aus dem ganzen Ins-Lot-bringen-Prozess ausklinken konnten. Auch eine Demütigung des Finanzministers. Dieses Wochenende ist Prölls letzte Chance, einen Überraschungscoup zu landen.

Nützt er sie nicht, hat er so ziemlich sein ganzes politisches Kapital verspielt. Lange Zeit konnte sich der Vizekanzler und ÖVP-Chef in der Sicherheit wiegen, mehr Substanz und Kompetenz zu vermitteln als Bundeskanzler Werner Faymann. Der Plan, in drei Jahren die ÖVP zur Nummer eins zu machen und Faymann abzulösen, schien nicht abwegig. Doch er ging nicht auf: Monatelange Tricksereien mit dem Budget erweisen sich als Desaster; die Steiermark konnte für die ÖVP nicht zurückerobert werden; in Wien sollte Michael Häupl zwar geschont werden, dass dies aber die ÖVP mit dem eigenen Absturz bezahlt, war so nicht geplant.

Die Entzauberung des Josef P. ist durch die Demütigung, in Wien eine Koalition mit der SPÖ mangels Anfrage nicht einmal ablehnen zu können, nicht mehr zu kaschieren. Zum Hohn eines Wahldesasters kommt der Spott der verweigerten Regierungsbeteiligung.

Der Mann hat einfach keine Fortune, hätte Bruno Kreisky wahrscheinlich im Augenblick über Pröll gesagt. Das trifft aber gar nicht zu. Denn Pröll kann für sein momentanes Ungemach niemand anderen verantwortlich machen als sich selbst.

In der Personalpolitik hat er keine glückliche Hand: Christine Marek ist seine Erfindung, deren Wahlkampfleiter sein Kommunikationschef in der Bundespartei. Justizministerin Claudia Bandion-Ortner ist sein personalpolitischer Missgriff, die unpopuläre und sprunghafte Wissenschaftsministerin Beatrix Karl seine Auswahl, das Agieren von Innenministerin Maria Fekter seine Führungsschwäche in der Partei.

Dass dies alles in diesen Tagen in ungewöhnlich dichter Form zutage tritt– von Häupls kalter Schulter über die Blamage für Bandion-Ortner bei den Bawag-Urteilen, die Empörung über Fekter bei den Kinderabschiebungen bis zu den anhaltenden Studentenprotesten –, ist Prölls Pech.

Er muss die Dinge, auch für sich persönlich, mit einem Befreiungsschlag exzellenter Regierungsarbeit jetzt sofort wieder ins Lot bringen. Tut er es nicht, werden jene recht haben, die ihn für überschätzt halten. Wenn er es tut, wird er dafür Applaus bekommen.


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2010)

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