Androschs No-na-Volksbegehren zur Bildung benötigt konkrete Vorschläge

Der vorliegende Entwurf, ausgearbeitet von Bernd Schilcher, ist eine lange Analyse des Istzustandes, die viele unterschreiben könnten. Es fehlen jedoch ganz präzise Forderungen.

Um ja jeglichem Missverständnis vorzubeugen: Jede honorige private Initiative zur Bürgerbeteiligung in Österreich ist zu begrüßen. Vorbehaltslos. Im Fall des geplanten Bildungsvolksbegehrens des Industriellen mit der Imagepflege eines Elder Statesman, Hannes Androsch also, übersehen wir deshalb auch gerne den (partei-)politischen Aspekt des Unterfangens. Der ehemalige SPÖ-Politiker versteht die Sammelaktion von Unterschriften pro Bildungsreform ja selbst als Unterstützung für Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ), wie er in seinen ersten Erklärungen wissen hat lassen. Da trifft es sich gut, dass der ehemalige steirische ÖVP-Politiker Bernd Schilcher mit der Abfassung des Volksbegehrens beschäftigt ist. Immerhin war Schilcher, kaum jünger als Androsch, im Mai 2007 von Schmied zum Leiter ihrer Expertenkommission zur Neuordnung der Schulorganisation berufen worden. War da was?

Knapp vier Jahre später überrascht Schilcher nun in der Einleitung seines Entwurfes mit der Feststellung: „Das österreichische Bildungssystem, beginnend beim Kindergarten, über Mittelstufe und Oberstufe bis zu den Hochschulen, Universitäten und Einrichtungen der Erwachsenenbildung, muss von Grund auf erneuert werden.“ No na! Das werden doch wohl Tausende unterschreiben können.

Ausdrücklich ausgenommen von allen Reformbemühungen ist die „berufliche Ausbildung“ – unter anderem mit dem Argument, dass „unsere Lehrlinge bei internationalen Wettbewerben regelmäßig sehr gut abschneiden“. Das ist insofern verwunderlich, als doch erst am Donnerstag Voest-Vorstand Wolfgang Eder in einem Radiointerview das Bildungssystem heftig kritisiert hat. In Schilchers Steiermark etwa muss die Voest laut Eder ihren Lehrlingen Grundrechnungsarten und Grundgrammatik via Nachhilfe beibringen.

Ausnahme beiseite, der vorliegende Entwurf zum Androsch-Volksbegehren ist ein mehrseitiger Mängelkatalog mit angeschlossener treffender Analyse des Istzustandes. Gewiss nehmen die Initiatoren des Begehrens nicht an, dass sich irgendein Unterschriftenwilliger die Lektüre eingehend zu Gemüte führen wird.

Gegen den ausführlichen Befund des Bestehenden ist ja nichts einzuwenden. Die häufige Verwendung der Wörter würde, wäre, müsste, sollte, könnte lässt allerdings den Verdacht aufkommen, dass der Autor sich im Konjunktiv, also in Dingen, die nur angedacht oder gewünscht werden, verfangen hat.

Es findet sich unter den 26 Punkten kein einziger mit einer konkreten Forderung nach der Art: Wir, die Unterzeichner, fordern ein System der flächendeckenden Ganztagsschule. So heißt es zum Beispiel unter Punkt16 zu diesem Thema: „Solche Ganztagsschulen werden nur funktionieren, wenn Lehrer und Schüler dort annehmbare Bedingungen vorfinden.“ Eben: No na!

Wirklich interessant ist aber Punkt5 zu einer „höchst fragwürdigen Fehlerkultur in unserem Bildungssystem“: „So gibt es tatsächlich Politiker, Manager und sogar Wissenschaftler, die Jahre und Jahrzehnte darauf verwenden, ihre Fehler mit irgendwelchen Tricks zu beschönigen...“

Schilcher könnte mit der Kultur gleich selbst aufräumen und zugeben, dass es ein Fehler ist, das Volksbegehren ohne konkrete und präzise Forderungen in Angriff zu nehmen.


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2011)

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