Lebensmittel werden immer teurer, kosten mehr als anderswo, na und?

Die Regierung verkauft die unveränderte Mehrwertsteuer als Wohltat. Zu Unrecht. Sie profitiert stillschweigend von den steigenden Preisen und der lammfrommen Geduld der Konsumenten.

Leider ist das Koalitionsduo Faymann & Spindelegger völlig frei von Selbstironie. Wäre es anders, hätten beide bei ihren Auftritten in der Sondersitzung des Nationalrates diese Woche wenigstens verschmitzt lächeln müssen. Das Erkennen des eigenen Schmähs hätte schon einen gewissen Charme gehabt.

Spindelegger aber verteidigte in der Sondersitzung das Steuerpaket alias „Sparpaket“ vulgo „Konsolidierungspaket“ (offizielle Version) so: Man müsse Österreich „wieder auf gesunde Beine“ stellen! Wieder? Die ÖVP ist seit einem Vierteljahrhundert in der Regierung – durchgehend. Bei dem Versuch, den Menschen ein X für ein U vorzumachen, war Spindelegger in dieser Sitzung aber nur der Vize von Bundeskanzler Faymann.

Dieser lobte die Bemühungen der Koalition um – wie gesagt – „gesunde Beine“ doch allen Ernstes mit folgender Begründung in den Himmel: Diese Regierung habe nicht wie anderswo in Europa in der Erhöhung der Mehrwertsteuer ihr Heil gesucht. Ganz offensichtlich wollte er für so viel soziale Wärme gelobt werden.

Das ist schon recht dreist, denn in Österreich sprudelt die Steuerquelle aus dieser Richtung ganz von selbst. Gleichzeitig wurde nämlich bekannt, dass die Teuerung der Lebensmittel in den letzten zehn Jahren weit über der kulminierten Inflationsrate liegt. Und je teurer die Lebensmittel, desto höher die Steuereinnahmen des Bundes.

Faymanns Selbstlob ist auch aus zwei anderen Gründen dreist: Einerseits hat diese Regierung die vor der Wahl 2008 groß angekündigte Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel sang- und klanglos in den Tiefen des Parlaments verschwinden lassen und nie mehr ausgegraben. Andrerseits schlägt die Arbeiterkammer immer wieder Alarm, dass in Österreich Lebensmittel ungerechtfertigt teurer sind als in Deutschland etwa oder auch in Italien – zuletzt im Jänner 2012, davor im November 2011, aber auch schon im Sommer 2008. Die Prozentsätze, um die Österreicher zu teuer einkaufen, variieren: 16,3 Prozent, oder 21 oder 33, bei manchen Produkten bis zu 121 Prozent.

Da geht es um den sogenannten „Österreich-Aufschlag“ bei Lebensmitteln. ÖVP-Minister Martin Bartenstein war 2008 aufgefordert worden, sich darum zu kümmern, drei Jahre später Reinhold Mitterlehner. Ein Ergebnis dieses Kümmerns ist nicht bekannt. Kein Wunder, wer wollte diese Steuerquelle schon austrocknen, deren Ursprung ja nicht direkt bis zur Regierung zurückzuverfolgen ist.

Arbeiterkammern verschiedener Bundesländer haben in den letzten Jahren immer wieder Alarm geschlagen, nicht nur wegen der Preissteigerungen, sondern auch wegen der -unterschiede. Dem Alarm folgte nichts. Keine Kampagne. Kein massiver Druck auf die Regierung, die sich wegen dieser windfall profits (Zufallsgewinne) mit dem Handel in einer stillen Interessengemeinschaft befinden dürfte. Und die AK mit der SPÖ.

Österreich-Aufschlag ist daher nur ein vornehmer Ausdruck für „Deppensteuer“: In diesem Land geht jeder Preisaufschlag durch. Die Konsumenten schimpfen (vielleicht) und zahlen. Wer verlangt von den Konzernen, dass sie die Preisunterschiede für ein und dasselbe Produkt rechtfertigen? Im Zeitalter des EU-Gemeinschaftsmarktes und der Einheitswährung? Auf Faymann muss man nicht warten, auf die AK auch nicht. Bleiben die Konsumenten. Wo?


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.03.2012)

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