Die verbotssüchtigen Grünen sind die neuen Spießer der Nation

Über eines sind sich der Strache-affine Stammtisch in der Provinz und die vegane Kantine der urbanen Bobo-Grünen neuerdings schnell einig: je mehr Verbote, umso besser.

Quergeschrieben
Die Grünen waren einmal eine ganz sympathische Partei, die sich nicht nur für das Wohlergehen von Bruder Baum, sondern auch für freien Drogenkonsum, freies und unbehelligtes Ausleben sexueller Präferenzen sowie ganz generell für ein von allzu vielen gesellschaftlichen, religiösen und politischen Zwängen freies Leben einsetzten. Klassische liberale Wertvorstellungen, die eine erfreuliche Leichtigkeit des Seins in das grüne Projekt brachten.

Doch diese diesseitsorientierten Grünen scheinen 2012 ausgestorben zu sein wie der Laufvogel Dodo, dessen letztes Exemplar 1669 bekanntlich auf Mauritius erschlagen worden ist. Stattdessen herrscht in dieser Partei mittlerweile eine griesgrämige Verbotskultur vor, die auf jedes nur denkbare Problem damit reagiert, etwas untersagen zu wollen. Egal ob es sich um Zigarettenautomaten, die Förderung von Schiefergas, das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat, Heizpilze auf Kaffeehausterrassen, Beizmittel für Mais, bestimmte Spielautomaten, rechtsextreme Feiern auf dem Ulrichsberg oder um importierten Atomstrom handelt: In Österreich vergeht kaum ein Tag, an dem die Grünen nicht mit mieselsüchtiger Miene das Verbot von irgendetwas verlangen.

Es überraschte daher nicht im Geringsten, wie die Wiener Grünen-Chefin nun das angebliche Problem zu hoher Mieten zu lösen gedenkt: mit einem Verbot von zu hohen Mieten. Dass das ökonomisch nachweislich Unfug ist, ficht die verbotsversoffenen Wiener Grünen wenig an: Hauptsache, noch ein Verbot. Die Forderung nach einem Verbot zu hoher Preise bei Billa und Spar, nach einem Verbot von Kündigungen in Unternehmen und von schlechtem Wetter ist jetzt wohl nur noch eine Frage der Zeit.

Auf jedes gesellschaftliche Problem mit der gedanklich schlichten Forderung „einsperren, verbieten, Polizei holen“ zu reagieren, war früher zweifelhaftes Privileg jenes eher unlockeren und provinziellen Kleinbürgertums, das sich für die angeblichen Ungerechtigkeiten der Welt gern mit einer Stimme für die FPÖ revanchierte. Heute scheint in den grünen Biotopen eine ganz ähnliche Mentalität vorzuherrschen: Was uns nicht gefällt, soll einfach verboten werden. Da sind sich der Stammtisch im ländlichen FPÖ-Milieu und die vegane Kantine der Grünen erstaunlich einig.

Es ist ein etwas eigenartiges Menschenbild, das die heutigen Grünen ihrem politischen Handeln zugrunde legen. Ganz offenbar halten sie den Staatsbürger für eine Art leicht zurückgebliebenen Pflegefall, der nicht für sich selbst sorgen kann und daher einer mütterlich-strengen Obrigkeit bedarf, die ihn stets auf den Weg der Tugend zurückführt.

Gut möglich, dass die obsessive Verbotsverliebtheit den Grünen bei Wahlen nicht einmal schadet, sondern vielleicht sogar nützt. Denn echte Liberale, die sich daran stoßen könnten, sind in Österreich rar. Die leichte Neigung zum Autoritären ist hingegen quer durch die Milieus und sozialen Schichtungen eher überdurchschnittlich ausgeprägt.

Dass die Chefin der Grünen sich heute zwar zu Verboten sonder Zahl, aber nicht einmal mehr zur Legalisierung weicher Drogen bekennen will, zeigt augenscheinlich, wie weit sich die Grünen bereits von einer partiell liberalen Ökopartei hin zu einer mit dem Autoritären flirtenden Spießbürgerbewegung entwickelt haben. Darauf hat Österreich nicht wirklich gewartet.


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Zum Autor:

Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronline. Das Zentralorgan des Neoliberalismus“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2012)

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