Gestatten, mein Name ist Hase, und ich bin Chef der Nationalbank

Wenn Ewald Nowotny vor Gericht nicht die Unwahrheit gesagt hat, ist er von einer Naivität, die ihn selbst für die Führung eines Würstelstandes disqualifiziert.

Wer in Ländern wie Aserbaidschan oder Syrien mit dem Staat Geschäfte machen will, der kommt um die Zahlung nützlicher Abgaben, wie die Schweizer das so nett umschreiben, unter keinen – und zwar wirklich keinen – Umständen herum. Um das nicht zu wissen, muss man die vergangenen 50 Jahre schockgefroren in einer fest verschlossenen Tiefkühltruhe verbracht haben.

Der einzige Mensch im bewohnbaren Teil des Sonnensystems, dem das so nicht klar sein dürfte, ist Österreichs Notenbankchef Ewald Nowotny. Vor Gericht gab er an, als Aufsichtsrat der OeNB-Tochter Österreichische Banknoten- und Sicherheitsdruckerei die Zahlung einer sogenannten Provision von 20 Prozent bei einem Aserbaidschan-Geschäft der Nationalbank für „üblich“ und rechtmäßig gehalten zu haben: „Ich hatte nicht den geringsten Verdacht, dass es sich bei den Provisionen um Bestechung handeln könnte.“

Das hat insofern eine heitere Note, als Nowotny Mitglied der Anti-Korruptionsorganisation Transparency International ist, auf deren Ranking der korruptesten Staaten der Welt Aserbaidschan regelmäßig prominent platziert ist. Dass OeNB-Nowotny nicht ahnen konnte, was Transparency-Nowotny wissen musste, deutet auf eine multiple Persönlichkeit an der Spitze unserer Notenbank hin. Aufsichtsrat Dr. Jekill und Gouverneur Mr. Hyde, sozusagen.


Nowotnys Einlassung vor dem Gericht lässt nur zwei Möglichkeiten zu. Entweder er hat als Zeuge die Unwahrheit gesagt, wenn er behauptet, „nicht den geringsten Verdacht“ gehabt zu haben, was wir aus Gründen der rechtlich erforderlichen Unschuldsvermutung aber vorerst einmal ausschließen wollen, obwohl jeder hellere Hauptschulabsolvent zumindest „diesen Verdacht“ gehabt hätte. Oder aber Nowotny sagt die Wahrheit und war frei von jedem Verdacht, die „Provision“ könne etwas mit Schmiergeld zu tun haben – dann ist er in einem Maß wirtschaftlich naiv, das ihn selbst für die Führung eines Würstelstandes disqualifiziert, von der Nationalbank ganz zu schweigen. Qualifiziert hätte er sich so höchstens für die „Gerhard-Dörfler-Medaille“ in Gold, benannt nach jenem Kärntner Landeschef, dem ein Gericht bestätigte, die Tragweite seiner Handlungen nicht einschätzen zu können.

Aber vielleicht hat Nowotny ja einfach „Management by Säugling“ versucht: sich im Aufsichtsrat angesichts der Provisionsproblematik Augen und Ohren fest zuzuhalten und zu hoffen, dass das rechtliche Ungemach davon verschwindet. Dann allerdings hat er den Job als Aufsichtsrat mit dem eines Wegschaurates verwechselt, was eine eher originelle Interpretation des Aktienrechtes darstellt. Wofür bezieht ein Wegschaurat eigentlich seine Gage?

Es ist übrigens noch nicht allzu lang her, dass Nowotny sich in einer derartigen Causa die Peinlichkeit erspart hätte, sich entweder der völligen Unbedarftheit oder aber der Mitwisserschaft an einem Delikt bezichtigen lassen zu müssen: Bis Ende der 1990er-Jahre waren Bestechungszahlungen an ausländische Würdenträger für Exportunternehmen in Österreich nicht nur hierzulande straffrei, sondern sogar steuerlich absetzbar. Und das hatte und hätte auch heute noch einiges für sich. Warum soll sich Österreichs Strafrecht anmaßen, eine pädagogische Funktion in einem beliebigen der Dutzenden mehr oder weniger korrupten Staaten der Welt auszuüben? Noch dazu, da nützliche Zahlungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge auch in Österreich selbst noch nicht gänzlich ausgestorben sein sollen? Was geht uns an, wie andere Nationen ihre Trinkgeldgewohnheiten gestalten?

Ein gar nicht unerheblicher Teil des österreichischen Wohlstandes stammt bekanntlich aus Exporten in Staaten, in denen Geschäft untrennbar mit Bestechung verbunden ist. Diese Bestechung von Ausländern im Ausland hierzulande strafbar zu machen, sich gleichzeitig aber der Arbeitsplätze, Gewinne und Steuererträge aus Exportgeschäften zu erfreuen, ist eher scheinheilig. Denn dass wir auf diese Weise die Welt zu einem moralisch hochwertigeren Ort machen, wird wohl nicht einmal Ewald Nowotny für möglich halten.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

Zum Autor:

Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronline. Das Zentralorgan des Neoliberalismus“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2014)

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