So fröhlich kann Fußball sein

Wenn die Rapid-Siegesparty am Sonntag ein Vorgeschmack auf die „Euro 08“ war, dann gute Nacht.

Wer es je mit Rapid-Fans zu tun hatte, der weiß: Dies ist ein Milieu, in dem die Subtilität des Arguments, die Anmut des Ausdrucks und der Gedanke des Fair Play tief verwurzelt sind; weshalb auf der Westtribüne des Rapid-Stadions ja auch meist die gediegene Atmosphäre eines Philosophie-Seminars in Oxford herrscht.

Umso ungerechter erscheint daher jenes Gesudere, das nach dem fröhlichen Siegesfest der Rapidler am Sonntagabend am Wiener Stephansplatz da und dort aufflackert – und sogar die kommende Euro 2008 defätistisch bekrittelt. Nicht nur die Diskutanten der TV-Sendung „Im Zentrum“, die vom Stephansplatz live übertragen wurden, mokierten sich, bloß weil sie dank der feiernden jungen Herrschaften ihr eigenes Wort nicht verstanden; die sonst durchaus fußballfreundliche Zeitung „Österreich“ bediente sich im Zusammenhang mit der Rapid-Siegesfeier des unnetten Wortes „Mob“; der „Standard“ fürchtete einen „Vorgeschmack auf die Euro“ und die bekanntlich besonders querulatorischen City-Anrainer deckten die Polizei an jenem Abend mit Beschwerden ein wie sonst die Holländer die Österreicher mit Toren.

Dergleichen grämliche Bedenkenträgereien zeigen: Wir müssen einfach mehr Verständnis aufbringen und dürfen das Ganze nicht so sauertöpfisch sehen; Euro-Defätismus ist künftig mit 24 Stunden in der Fanmeile zu ahnden.

Wir müssen einfach mehr Verständnis dafür aufbringen, dass am Stephansplatz nicht nur 700 Rapidler randalierten, als wäre Bürgerkrieg, sondern auch Dutzende Glatzköpfe unter ihnen die rechte Hand in der geläufigen Geste von sich streckten; natürlich nicht, um Hitlers Geburtstag zu gedenken, vermutlich eher, um einander auf architektonische Details des Haas-Hauses aufmerksam zu machen (Führers Geburtstag hatten sie ja schon Stunden vorher mit einschlägigen Transparenten während des Spiels gefeiert).

Wir müssen auch Verständnis dafür aufbringen, dass die feiernden Fußballfans, ausgelassen wie sie halt sind, einen jungen Mann dermaßen subtil traktierten, dass der (laut Polizei) verletzt ins Spital gebracht werden musste.

Wir müssen Verständnis dafür aufbringen, dass eine Siegesfeier in diesem Milieu einfach nicht geht, ohne dabei die umliegenden Häuser mit Raketen zu beschießen und Kleinsprengsätze zu zünden, für deren Verwendung man sogar zu Silvester umgehend aus dem Verkehr gezogen würde. (Schließlich gibt es ja jetzt eine eigene Versicherung gegen derartige Euro-Kollateralschäden.)

Verständnis müssen wir schließlich auch und vor allem für die Polizei selbst aufbringen, die am Sonntagabend dem fröhlichen Treiben der Fußballfans mit einem Verständnis begegnete, als habe sie einen Briefmarkenabend im Seniorenheim zu überwachen und nicht hunderte völlig entsicherte Radaubrüder.

Wenn wir für all das ganz, ganz viel Verständnis aufbringen, dann wird die Euro 2008 sicher ein fröhliches Fest; zumindest, wenn man Exzesse wie jene vom Sonntag fröhlich findet. Bleibt nur eine kleine Frage: Warum soll man für dergleichen eigentlich auch nur ein Gramm Verständnis aufbringen?

Christian Ortner ist Journalist in Wien.


christian-ortner@chello.at("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2008)

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