Warum ehrlich Geld verdienen, wenn es doch die Politik gibt?

SPÖ und ÖVP sind keine herkömmlichen Parteien mehr, sondern bloße Machterhaltungsmaschinen für die sie kontrollierenden Machterhaltungsmaschinisten.

Es ist zwar kein schöner, dafür aber ein höchst aufschlussreicher Anblick, der sich immer dann bietet, wenn durch einen Betriebsunfall für einen Moment die wahren Motive der hiesigen politischen Klasse sichtbar werden. Wenn also kurz Pappmaché-Kulissen wie „Gerechtigkeit!“ und „Wirtschaft entfesseln!“ beiseitegeschoben werden und die dahinterliegenden Maschinenräume politischer Machtausübung sichtbar werden.

So etwa dieser Tage, als in Salzburg ein internes Papier des öffentlichen Energieversorgers Salzburg AG publik wurde, in dem SPÖ-nahe Führungskräfte dem Sinne nach aufgefordert werden, nicht zu vergessen, wem sie ihren Job verdanken (der Partei) und dementsprechend zu handeln (indem sie andere Parteimitglieder protegieren). Dass die Salzburg AG kein Unternehmen im Besitz der SPÖ ist, sondern Land und Stadt Salzburg und damit letztlich deren Bürgern gehört, scheint in der Salzburger Sozialdemokratie als juristische Spitzfindigkeit verstanden zu werden, die man geflissentlich ignorieren kann.

Es ist ja auch irgendwie verständlich: Dass SPÖ und ÖVP staatliche und staatsnahe Unternehmen vom ORF bis zu den Energieversorgern behandeln, als wären sie ihr Eigentum, ist in dieser Republik ja nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Das kommt zwar dem Delikt der Untreue nahe, wird aber nach wie vor von der Realverfassung des Landes gedeckt.

Der einzige Unterschied zwischen den Salzburger Postenschacher-Festspielen und Dutzenden anderen vergleichbaren parteipolitischen Feuchtgebieten liegt in der Schamlosigkeit der Salzburger, ihre Ferkeleien auch noch schriftlich festzuhalten, was nebenbei auch auf eine überschaubare intellektuelle Ausstattung der komfortabel dotierten Akteure dieses Postenschacher-Pornos hindeutet.

Gut sichtbar wird anhand von Fällen wie diesem, was SPÖ und ÖVP, ausgelaugt von jahrzehntelanger Machtausübung, eigentlich noch antreibt: Es ist ausschließlich das Bestreben der jeweiligen Spitzenpolitiker, aber auch der B- und C-Chargen, möglichst bis zum Antritt der standesgemäßen Luxuspension nicht aus den von ihnen bewohnten Komfortzonen des Erwerbslebens hinausgedrängt zu werden. Was nach außen noch wie traditionelle Parteien aussieht, die inhaltliche Anliegen vertreten, ist zu Machterhaltungsmaschinen degeneriert, die den wirtschaftlichen Wohlstand der sie steuernden Machterhaltungsmaschinisten sichern sollen, solang es noch geht.

Politik wird für solche Organisationen zu einem bloßen Marketinginstrument, das alle fünf Jahre bei den leider noch immer unvermeidbaren Wahlgängen jenen Marktanteil sichern helfen soll, der zum weiteren Betrieb der jeweiligen Machterhaltungsmaschine im gewohnten Umfang notwendig ist. Nicht Überzeugungen, Haltungen oder Grundsätze steuern diese Marketinginstrumente, sondern die Marktforschung steuert Überzeugungs-Surrogate und Ideologie-Prothesen, die dem Wähler schließlich als politische Haltungen verscherbelt werden. Mit Politik hat dieser Vorgang so gut wie nichts zu tun.

Dass sie nichts anderes als den Machterhalt ihrer Funktionäre bezwecken und organisieren, könnte freilich noch einmal die Existenz der ehemaligen politischen Parteien SPÖ und ÖVP bedrohen. Angesichts einer SPÖ, die in jüngsten Umfragen bereits vier Prozent hinter der FPÖ liegt und einer ÖVP, die gerade noch 19Prozent schafft, bedürften beide Regierungsparteien ja vor allem der völligen personellen Erneuerung auf allen Ebenen, um ihre herandräuende Marginalisierung noch irgendwie stoppen zu können.

Genau das aber widerspricht diametral der einzigen noch verbliebenen Geschäftsgrundlage dieser Parteien, nämlich den Machterhalt ihrer Funktionäre zu sichern; ein kaum auflösbares postpolitisches Paradoxon. Nicht zuletzt deshalb marschieren SPÖ wie ÖVP völlig unbeirrt von Niederlage zu Niederlage. Sie können einfach nicht anders.

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Zum Autor:

Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronline. Das Zentralorgan des
Neoliberalismus“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2014)

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