38.000 Euro Schulden pro Person, das ist natürlich viel zu wenig

Die Arbeiterzwangskammer verlangt noch höhere Staatsschulden. Da erscheint ja sogar der griechische Finanzminister, Yanis Varoufakis, vergleichsweise seriös.

Der Umstand, dass die Republik Österreich mittlerweile mit rund 38.000 Euro pro Person verschuldet ist – also schlappen 152.000 Euro für eine vierköpfige Familie –, ist für all jene mieselsüchtigen Spaßbremsen in Politik und Medien, die noch immer nicht kapieren wollen, dass Wohlstand entweder a) durch Schulden des Staates oder b) das bunt Bedrucken von Papierstücken entsteht, in diesen Tagen wieder einmal Grund zu beckmesserischem Geraunze.

Doch zum Glück ist es nun den Ökonomen der Arbeiterkammer (AK) gelungen, der weinerlichen These von angeblich zu hohen Staatsschulden einen geradezu tödlichen Schlag zu versetzen. „Die Budgetsituation ist deutlich günstiger als vielfach dargestellt“, behauptet die AK in einer Aussendung, was angesichts einer Rekordverschuldung trotz Rekordsteuereinnahmen etwas überraschend daherkommt. Denn würde man die Kosten der Hypo-Abwicklung beiseitelassen, betrüge das Defizit des Jahres 2014 nur noch ein Prozent der Wirtschaftsleistung, also rund 3,3 Milliarden Euro. Für die AK gleichsam eine Petitesse.

Logisch, dass die im Kanzleramt sehr einflussreiche und aus Zwangsabgaben der Arbeitnehmer finanzierte AK daraus den Schluss zieht, „Maßnahmen zur Förderung der Beschäftigung“ (was auch immer damit gemeint ist) seien „leistbar“. Denn: „Das Budgetdefizit kann keine Ausrede mehr sein.“ Man kann das nicht anders interpretieren denn als Appell an den Staat, sich doch bitte wieder einen kräftigen Schluck aus der Kreditflasche zu genehmigen, anstatt der reaktionären These, wonach man langfristig nicht mehr ausgeben könne, als man einnimmt, Gehör zu schenken.

Es ist dies ein Weg, der sich ja in Österreich schon bisher überaus bewährt hat. Allein in den vergangenen zehn Jahren sind die Schulden der Republik von rund 170 Milliarden um bescheidene 100 Milliarden auf nunmehr 278 Milliarden angewachsen – ein Weg, der ganz zweifellos nachhaltig und unbegrenzt fortführbar ist, jedenfalls in der wunderbaren Welt der AK-Ökonomie. (Nebenbei bemerkt: Von diesen 100 Milliarden entfallen gezählte fünf auf die Hypo-Katastrophe; ein weiterer Beweis für die in diesem Milieu beliebte These, ohne Bankenkrise wäre das Budget hoch weiß.)

Geschuldet ist das ziemlich robuste Anwachsen der Staatsschulden im Wesentlichen übrigens einem Phänomen, an dem die AK und ihre Funktionäre nicht ganz unbeteiligt sind: Dass nämlich die Sozialausgaben der Republik in den vergangenen 15 Jahren im Schnitt doppelt so schnell wachsen wie die Wirtschaft insgesamt. Was die schweizerische „NZZ“ zu der herzlosen Diagnose veranlasste, Österreich lebe „immer ungenierter über seine Verhältnisse“.

Wie dringend notwendig die von der AK eingemahnte Aufstockung des Schuldengebirges geworden ist, zeigt schließlich auch ein Blick in die sogenannte Eröffnungsbilanz der Republik Österreich, in der wie bei einem Unternehmen die Vermögenswerte auf der einen und die Verbindlichkeiten auf der anderen Seite einander gegenübergestellt werden.

Dabei zeigt sich, dass der Staat (Stand 2013) um eher bemerkenswerte 134 Milliarden mehr Verbindlichkeiten als Vermögenswerte in seinen Büchern stehen hat, was bei einem gewöhnlichen Unternehmen eine eher abrupte Insolvenz zur Folge hätte. Dass in einer derartigen Situation die Schulden möglichst energisch und flott aufzustocken sind, um weiteres Unheil abzuwenden, ist im Milieu der AK-Ökonomen offenbar gesichertes Wissen, schließlich „kann das Budgetdefizit keine Ausrede mehr sein“.

In einem Punkt hat die Zwangskammer der Unselbstständigen freilich recht: Die Arbeitslosigkeit ist in der Tat beschämend hoch. Aber deshalb hat die Regierung ja jetzt auch im Weg der sogenannten „Steuerreform“ die Lohnnebenkosten der besser qualifizierten und verdienenden hinaufgeschnalzt und damit deren Arbeit verteuert. Das wird sicher viele neue Jobs ergeben. Ganz sicher.

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Zum Autor:

Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronline. Das Zentralorgan des
Neoliberalismus“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2015)

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