Wir Geiseln der GrünInnen

Die Pleite der Ökopartei verheißt weitere Jahrzehnte öde Große Koalition – im besseren Fall.

Die Chancen, dass die Grünen bei den nächsten Wahlen die Vier-Prozent-Hürde schaffen und wieder im Nationalrat vertreten sind, stehen gar nicht schlecht, auch wenn sie derzeit Wahl um Wahl verlieren. Aber für ein paar pragmatisierte Genderbeauftragte, vegane Baumumarmer oder töpfernde Handarbeitslehrer in Wien-Boboland wird Grün noch wählbar sein. Das wird schon reichen. Trotzdem ist klar: Eva Glawischnig kann das nicht. Sie zur Nachfolgerin Van der Bellens zu machen war ein Fehler. Das törichte Unterfangen, aus den Grünen GrünInnen zu machen, ist gescheitert. Dies frauenfeindlich zu finden ist so töricht wie das Unterfangen selbst: Das grüne Feminat ist ja nicht seiner Geschlechtsmerkmale wegen politisch bankrott, sondern wegen seiner Inkompetenz.

Nun könnte man es getrost den Grünen und ihren Wählerinnen überlassen, den von ihnen bevorzugten Weg in die Irrelevanz zu gehen, wie es ihnen beliebt. Die Lücke, die sie hinterlassen, wird sie völlig problemlos ersetzen. Könnte, kann man aber leider nicht. Denn die Selbstmarginalisierung der Ökos könnte zur Folge haben, dass die Große Koalition – sei es in der Fassung Faymannpröll, sei es in der Fassung Pröllfaymann – das nächste Vierteljahrhundert weiterregieren wird. Weiterregieren wird müssen. Denn wahrscheinlich wird die Unfähigkeit des grünen Feminats dazu führen, dass in näherer Zukunft weder Schwarz/Grün noch Rot/Grün eine Mehrheit ergeben.

Das heißt aber, dass der grüne Bankrott ad infinitum Geschäftsgrundlage der Großen Koalition ist; ein unerquicklicher Ausblick. Aber die einzig vorstellbare Alternative zu dieser Katastrophe stellte wohl Rot/Blau, womöglich auch noch in der Variante Voves/Strache dar – da könnte man (und frau) dann Glawischnig wirklich herzlich zu ihrem politischen Lebenswerk gratulieren.

Dieses Versagen ist umso ärgerlicher, als Grüne in ganz Europa zeigen, dass es auch anders geht. Wenn etwa in Deutschland die Grünen sogar von der „Financial Times“ als attraktivste Partei den Lesern zur Wahl empfohlen wird, zeigt das ebenso wie der Erfolg Daniel Cohn-Bendits, was möglich ist. Aber dazu braucht es auch einen Daniel Cohn-Bendit und keine Ulrike Lunacek; notfalls hätte ja auch ein Voggenhuber, ein Van der Bellen oder ein Christoph Chorherr gereicht, um das Schlimmste zu verhindern.

Doch jetzt wurde der Karren nun mal gegen die Wand gefahren. Aber vielleicht kapieren die GrünInnen ja doch noch, dass ihr eigenes Interesse (am Überleben) deckungsgleich mit dem Interesse vieler Nichtgrüner (die Große Koalition endlich loszuwerden) ist. Würde dank dieser Einsicht aus der grünen Obskurantinnen-Truppe (wieder) eine wählbare Partei mit gewichtigen Spitzenkandidaten, deren primäre Qualifikation nicht aus ihren primären Geschlechtsmerkmalen besteht, erwiesen die Grünen nicht nur sich selbst, sondern der ganzen Republik einen Gefallen. Gelingt ihnen das nicht, ist Faymannpröll ohne Ende die Folge.

Christian Ortner ist Journalist in Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2009)

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