Darf man heute noch Karikaturen über Mohammed veröffentlichen?

Das gerade runderneuerte Gesetz gegen Verhetzung ist kein ambitionierter Beitrag zur Meinungsfreiheit, passt aber ins Bild des zudringlichen Nanny-Staates.

Für jugendliche Hobby-Jihadisten, die nächtens mit glasigen Augen vor dem Computer hocken und dort ihre Facebook-Freunde zum Hass auf die „Kufar“ (uns Ungläubige) bewegen wollen, könnte es dank einer jüngst in Kraft getreten Gesetzesänderung Ärger geben. Dergleichen gilt als Verhetzung und ist mit einer Haftstrafe von bis zu zwei Jahren bedroht. Denn nach dem neuen § 283 Strafgesetzbuch ist (unter bestimmten Bedingungen) mit einer derartigen Freiheitsstrafe zu bestrafen, wer öffentlich eine bestimmte Gruppe in ihrer Menschenwürde herabsetzt, beschimpft oder zu Hass gegen sie aufstachelt.

Nun wird kein halbwegs normaler Mensch die seit geraumer Zeit vor allem im Internet kursierenden, immer unappetitlicher werdenden Hassausbrüche – aus welcher ideologischen Ecke auch immer – gutheißen und aus Gründen der Meinungsfreiheit unter intellektuellen Naturschutz stellen wollen. Gut so, dass der Staat da eingreift, könnte man meinen.

Trotzdem hinterlässt die eskalierende Neigung des Gesetzgebers, diesen verbalen Unrat weiter zu kriminalisieren, irgendwie ein ungutes Gefühl. Schon allein deshalb, weil Termini wie „Hass“ und „Menschenwürde“ durchaus interpretierbar sind. „Diese Kaugummibegriffe widersprechen eklatant dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot und sind nichts anderes als antiquierte Machtinstrumente der politischen Behörde“, fürchtet ein Wiener Jurist das Entstehen einer rechtlichen Grauzone, die letztlich die Meinungsfreiheit beschränken würde.

Ob etwa Mohammed-Karikaturen in diesem Kontext den Tatbestand der Verhetzung erfüllen, ist unter Juristen nicht unumstritten. Immerhin sind diese Karikaturen bei entsprechender Interpretation ja durchaus geeignet, die Muslime und ihre Religion „in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen“, wie das im § 283 heißt. Dass „die Absicht, die Menschenwürde anderer zu verletzen“, Voraussetzung für die Strafbarkeit ist, dürfte zu erheblichen Interpretationsspielräumen führen. Die Meinungsfreiheit, hat das Justizministerium im Vorfeld der Gesetzeswerdung treuherzig versichert, werde von dieser Norm natürlich nicht eingeschränkt.

Ob das auch stimmt, wird man erst nach den ersten diesbezüglichen Urteilen wissen. Wobei es unter den Bedingungen der Mediengesellschaft ja gar keines rechtskräftigen Urteils bedarf, um jemanden im Bedarfsfall ordentlich fertigzumachen. Eine Anzeige nach § 283 reicht, um jemanden politisch Missliebigen öffentlich als ungustiösen „Hetzer“ anzuprangern – unabhängig davon, wie das Urteil der letzten Instanz schließlich lautet.

Wenig erbaulich ist schließlich auch die Vorstellung, wie eine traditionell politisch nicht unelastische Justiz ein derartiges Gesetz handhaben würde, kämen in Österreich angesichts des eklatanten Versagens der etablierten Parteien einmal jene Kräfte an die Macht und damit die Schalthebel der Justiz, die aus dem Rechtsstaat einen autoritären Rechtsstaat machen wollen. Das Denunzieren abweichender Meinungen als „Hetze“ hat ja in Diktaturen jeglicher Couleur durchaus Tradition.

Man könnte dieses Verhetzungsgesetz in einem milderen Lichte betrachten, fügte es sich nicht perfekt in eine Tendenz ein, den Bürger zu bevormunden, zu kontrollieren und zu überwachen, wo immer es geht. Ihm dabei mithilfe des Strafrechtes behilflich zu sein, gute von bösen Meinungen unterscheiden zu können, passt perfekt in dieses Bild des zudringlichen Nanny-Staates.

Ziemlich ungewiss ist hingegen, ob Gesetze gegen Hass geeignet sind, öffentlich zur Schau gestellten Hass zurückzudrängen. Das konservative US-Magazin „Weekly Standard“ hat jüngst ausführlich untersucht, ob Gesetze gegen das Leugnen des Holocaust (wie es sie in Europa gibt, nicht aber in den USA) dazu führen, dass öffentliches Leugnen des Judenmords seltener wird – was leider überhaupt nicht der Fall ist. Aber vielleicht ist das ja eine Ansicht, die früher oder später auch als Delikt geahndet werden wird.

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Zum Autor:

Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronline. Das Zentralorgan des
Neoliberalismus“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2016)

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