Der New Deal von Kanzler Kern schaut ganz schön alt aus . . .

Warum eigentlich versucht die SPÖ gerade, eine ökonomische Theorie wiederzubeleben, der man bereits 35 Jahre lang beim Scheitern zusehen konnte?

Die finnische Regierung hat sich gerade mit den Gewerkschaften darauf geeinigt, die Arbeitszeit der Werktätigen zu verlängern, ohne die Gehälter entsprechend anzuheben. Im Gegenzug werden die Steuern gesenkt. Damit soll Finnlands Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig gemacht werden.

Dahinter steckt eine zutiefst reaktionäre, menschenverachtende Annahme: dass man mehr Wohlstand schafft, indem man mehr und härter arbeitet – und nicht, indem man Geld druckt und Schulden macht. Die österreichische Kanzlerpartei ist zum Glück immun gegen derart herzlose Methoden, ganz im Gegenteil: Auch der neue SPÖ-Chef, Christian Kern, und sein Sozialminister, Alois Stöger, plädieren für eine Kürzung der Arbeitszeit (bei gleichem Lohn natürlich) sowie die Einführung einer Steuer auf Maschinen und Computer, wie schon in den 1980er-Jahren der damalige Sozialminister Alfred Dallinger.

Der begründete seine Forderungen damals nicht viel anders als heute Kern. Rationalisierung und technologischer Fortschritt würden immer mehr und auch gut qualifizierte Arbeitnehmer arbeitslos machen, so das Argument. Arbeit müsse daher anders – natürlich „gerechter“ – verteilt werden und zur Finanzierung des Sozialstaates nicht nur Menschen, sondern auch Maschinen herangezogen werden. Hätte Dallinger vor 35 Jahren auch nur annähernd recht gehabt, müsste in Österreich freilich heute logischerweise das nackte Elend herrschen.

Tatsächlich aber ist in Österreich in dieser Zeit die Anzahl der unselbstständig Beschäftigten von 2,79 Millionen auf 3,53 Millionen gestiegen, was einem Zuwachs von happigen 27 Prozent entspricht. (Die Anzahl der selbstständig Beschäftigten blieb mit knapp 500.000 weitgehend konstant). Und das, obwohl seit 1980 Hunderttausende Jobs wegrationalisiert worden sind: Von Reisebüros über Airlines, von Bankfilialen über Buchhandlungen, von Schriftsetzern über Schaffner wurden Arbeitsplätze sonder Zahl eingespart.

Dazu kommt ein Rückgang der Anzahl der Bauern von 260.000 auf heute nur noch 90.000 – und trotzdem gibt es 2016 um ein Fünftel mehr Beschäftigte als noch 1980. Noch spektakulärer kann eigentlich eine Theorie nicht falsifiziert werden als jene Dallingers und seiner heutigen Epigonen.

Wenn die österreichische Volkswirtschaft es aber in den vergangenen 35 Jahren problemlos geschafft hat, trotz erheblicher Produktivitätsfortschritte um 20 Prozent mehr Menschen Arbeit zu geben, dann gibt es nicht den geringsten Grund zur Annahme, dass das in den nächsten 35 Jahren nicht genauso gut klappen wird.

Auch der Einwand, dass die Arbeitslosenrate seither deutlich gestiegen ist, zählt in diesem Kontext nicht, denn dies ist weitgehend dem Politikversagen geschuldet. Deutschland zeigt, dass Vollbeschäftigung auch in Zeiten massiver technologischer Sprünge möglich ist.

Gelänge es Österreich, mit einer vernünftigen Wirtschaftspolitik wieder Wachstum in der Gegend von drei Prozent zu generieren, löste sich das Problem Arbeitslosigkeit weitgehend von selbst.

Warum aber versucht die SPÖ, eine ökonomische Theorie wiederzubeleben, der man 35 Jahre beim Scheitern zusehen konnte? Erstens: Weil es politisch natürlich wesentlich rentabler ist, den Leuten weiszumachen, mit weniger Arbeit genauso viel verdienen zu können (Arbeitszeitverkürzung) und im Übrigen zu versprechen, „die Reichen“, also die Unternehmer, noch beherzter melken („Maschinensteuer“) zu wollen.

Und zweitens: Weil unter Sozialisten aller Schattierungen die Annahme unausrottbar ist, dass Arbeit so eine Art knappes Gut sei, das man planwirtschaftlich verwalten müsse, damit alle zumindest ein bisschen davon abkriegen.

Zu akzeptieren, dass Unternehmer, die man möglichst unbehelligt unternehmen lässt, und Konsumenten, die der Staat nicht über Steuern weitgehend enteignet, zusammen für Vollbeschäftigung sorgen können, ist dieser Mentalität hingegen wesensfremd.

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Zum Autor:

Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronline. Das Zentralorgan des
Neoliberalismus“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2016)

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