Hedgefonds sind gefährlich? Fast so gefährlich wie Politiker

Noch nie zuvor ist Europa in einer so schwierigen Lage von so überschaubar geeigneten Politikern regiert worden. Das befeuert die Krise stärker als Zocker und Spekulanten.

Der Gedanke ist nicht sehr erfreulich. Aber stellen wir uns einmal kurz vor, die westlichen Alliierten des Zweiten Weltkrieges wären damals nicht von Männern des Kalibers Churchill, Roosevelt & Co. angeführt worden. Nehmen wir an, deren Führungsqualitäten, intellektuelle Ausstattung und Mut zum Unpopulären wären ungefähr so dimensioniert gewesen wie bei dem heutigen leitenden Personal Europas und der USA. Etwa so wie beispielsweise bei Kommissionspräsident José Manuel Barroso oder einfach wie beim durchschnittlichen europäischen Regierungschef des Jahres 2011.

Das Ergebnis wäre gewesen, dass Hitler den Krieg gewonnen und ganz Europa erobert hätte.

Dass sowohl Europa als auch die USA heute von einer besonders mediokren Generation von Politikern regiert oder genauer gesagt nicht regiert, sondern administriert werden, das wäre schon in ganz normalen Zeiten eher verdrießlich.

Doch dies sind leider keine ganz normalen Zeiten, ganz im Gegenteil. Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, werden die Führer Europas in absehbarer Zeit höchst dramatische Entscheidungen mit gravierenden Konsequenzen treffen müssen. Dabei geht es zwar nicht um Krieg oder Frieden (hoffentlich zumindest), aber immerhin um den Wohlstand der Europäer in den kommenden Jahrzehnten. Denn eher früher als später werden sich Europas politische Eliten zwischen zwei Optionen entscheiden müssen: die EU endgültig in eine Haftungsgemeinschaft aller für alle umzubauen (mittels sogenannter Eurobonds) oder zumindest große Staaten wie Frankreich oder Italien sich selbst und den Märkten zu überlassen, sollten deren Geldgeber nervös werden und immer höhere Zinsen fordern.

Beide mögliche Entscheidungen bergen erhebliche Risken in sich. Erstere dürfte aus Europa auf absehbare Zeit eine Schuldengemeinschaft mit entsprechend niedrigem Wachstum, hohen Steuern und vermutlich auch höherer Inflation machen; Zweitere birgt das Risiko eines ungeordneten Kollaps der Eurozone in sich. Auch nicht wirklich lustig also. Ein dritter Weg aber ist weit und breit nicht in Sicht, so sehr sich die Politik danach sehnt. Was nicht zuletzt daran liegt, dass Europas Politiker seit jetzt schon drei Jahren die Probleme der Finanzkrise nicht lösen, sondern vergeblich hoffen, dass diese sich auflösen werden.

Doch die nun nicht mehr vermeidbare, ebenso schwere wie folgenschwere Entscheidung zwischen zwei Übeln, urteilte jüngst gewohnt trocken der Londoner „Economist“, liegt „...in den Händen von Politikern, die damit überfordert zu sein scheinen“. (Und dabei muss man sich noch nicht einmal vorstellen, dass Werner Faymann im Rat der EU-Regierungschefs Sitz und Stimme hat.)

Es liegt vermutlich in der Natur der zeitgenössischen Mediendemokratie und ihrer Symbiose zwischen den Boulevardmedien und der politischen Klasse, dass sie genau jenen mediokren Typus Politiker nach oben spült, der heute in den meisten Fällen oben ist.

Denn Wähler, die von Medien nicht informiert, sondern nur noch unterhalten werden wollen, bekommen dann eben damit kompatible Politiker, die nicht informiert handeln, sondern bestenfalls unterhaltsam sind. Jetzt, nahe dem vor uns liegenden Höhepunkt der Finanzkrise, stellt das ein höheres Risiko dar als alle Hedgefonds dieser Welt zusammen.


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2011)

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