Von Menschen und Plätzen

Warum funktioniert in New York die Benützung öffentlicher Flächen viel besser als in Wien?

Knapp zischte der Ball an uns vorbei, dann klatschte er an die Fassade. Es war etwas nach 23 Uhr. Meine Frau und ich waren auf dem Heimweg von der Oper zum Museumsquartier gekommen. Vor dem herrschte ein reges Kicken, die barocke Fassade bildete das Tor. Weshalb allen Vorbeigehenden brüllend bedeutet wurde, sie hätten hier nichts zu suchen. Als ich einem der nächtlichen Ronaldos erklären wollte, dass die nächste Fußballanlage im Weghuberpark nur 500 Meter entfernt sei, meinte meine Frau, eine solche Diskussion sei mit sichtlich illuminierten Jugendlichen wenig sinnvoll. Weil wir uns einen schönen Abend nicht verderben wollten, gingen wir weiter, vorbei an Bierdosen, zerbrochenen Flaschen und dem, was einige Betrunkene sonst noch von sich gegeben hatten.

Warum ich diese belanglose Geschichte erzähle? Weil ich in den letzten Wochen überall lese, dass es ein Recht der Menschen auf die Benützung des öffentlichen Raums gibt. Dem ist zuzustimmen. Ich finde zum Beispiel eine Stadtplanung skandalös, die in den aus dem Boden schießenden Einkaufszentren Jugendliche nur mehr dort sitzen lässt, wo sie etwas essen oder trinken müssen. Sitzmöglichkeiten ohne Konsumzwang gibt es nicht. Wie fortschrittlich war dagegen die Kaiserzeit! Auf ihren Parkbänken kann man heute noch sitzen, ohne etwas kaufen zu müssen. Genau diese Idee hat man rund um das Museumsquartier mit modernen Stadtmöbeln wiederbelebt, Frau Enzi und Herrn Waldner sei Dank. Was aber in der Diskussion niemand wahrhaben will, sind einfache Tatsachen. Erstens die Existenz einer Minderheit, die mit den Flächen des Museumsquartiers rücksichtslos umgeht. Zweitens, dass der Wert des öffentlichen Raums durch die Einhaltung minimaler Regeln nicht gefährdet ist, sondern gesteigert wird. Und drittens, dass nicht jeder, der Dreck und Glasscherben nicht mag, ein jugendfeindlicher Bösewicht sein muss. Eigentlich ganz einfach, nicht?

Denn so funktioniert es in anderen Städten, New York etwa, wo der Geschäftsführer des Wiener Museumsquartiers lange gelebt hat. Dort kann man im Central Park Partys feiern, unter der Bedingung, dass man jedes Papierl, jede Flasche, jeden Pappbecher wieder mitnimmt. In Amerika gibt es Paraden, bei denen Plastiksäcke verteilt werden, um den Müll selbst einzusammeln – versuchen Sie das einmal beim Wiener Silvesterpfad. Wie drakonisch in den liberalen USA die Geldbußen für die Verschmutzung von öffentlichen Flächen sind, kann jeder Besucher an deutlich sichtbaren Tafeln lesen. 100 Dollar sind ein guter Richtwert.

Bei uns aber hat sich noch nicht herumgesprochen, dass es individuell reizende Menschen gibt, die, egal ob jung oder alt, manchmal ihr Verhalten ändern, sobald sie in Gruppen auftreten. „Erträglich ist der Mensch als einzelner,/ im Haufen steht die Tierwelt gar zu nah“, heißt es bei Grillparzer. Vielleicht sollte man daraus eine Videoinstallation vor dem MQ machen?

Kurt Scholz war langjähriger Wr. Stadtschulratspräsident.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2009)

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