Ein neuer Mann in der Hofburg –und die Welt dreht sich weiter

Kommt nun auch die neue Regierung in Schwung, stellt diese Präsidentenwahl vielleicht sogar einen positiven Wendepunkt in der Geschichte Österreichs dar.

Diese Bundespräsidentenwahl hat mehrere durchaus positive Resultate gebracht. Zum Schluss ist es letztlich fast egal gewesen, wer in die Hofburg einziehen wird: Werner Faymann ist nicht mehr als Bundeskanzler im Amt, und die FPÖ muss weiter an der Entfernung ihrer braunen Unschärfen arbeiten.

Der Auftritt Alexander Van der Bellens und Norbert Hofers am Wahlsonntag hatte dann Symbolkraft. Es gab ein freundliches Händeschütteln, der Umgang der beiden Kandidaten miteinander war entspannt und respektvoll. Beide konnten sich als Bundespräsidenten fühlen – und noch viel wichtiger: Auch alle anderen schienen sich die beiden durchaus als Amtsinhaber in der Hofburg vorstellen zu können. Die Welt dreht sich weiter – egal, ob mit Van der Bellen oder mit Hofer als Bundespräsident.

Sogar die Schlagzeilen in den internationalen Medien werden heute nahezu identisch ausfallen. Es wird entweder heißen, dass in Österreich ein als Rechtsradikaler oder sogar als Neonazi charakterisierter FPÖ-Politiker zum Bundespräsidenten gewählt wurde – oder eben nur fast. Eine schlechte Nachrede werden wir jedenfalls in so manchen Medien haben.

Dabei ging es überhaupt nicht so sehr um einen Rechtsruck. Der weitaus dominierende Affekt dieser Wahl war der Ausdruck des Unmuts über die Regierung. Eine Differenzierung zwischen den diversen rechtsnationalen, rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien in Europa vorzunehmen fällt vielen Journalisten in aller Welt aber schwer. Die Verknüpfung von Nazis und Österreich ist einfach zu sexy, als dass sie nicht eine Schlagzeile wert wäre. Dabei trifft Österreich und insbesondere auch die FPÖ natürlich gehörige Mitschuld, womit wir bei einer weiteren Erkenntnis wären.

Norbert Hofer und die FPÖ werden hoffentlich erkennen, dass sie vielen Menschen mit ihrem konfrontativen, teilweise sogar hetzerischen Auftreten Angst machen. Die Drohung, man werde sich noch wundern, was alles ginge, wurde zum Sinnbild dafür. Das Gleiche gilt für die merkwürdige, vorgestrige Deutschtümelei der Burschenschafter, die heute die FPÖ dominieren. Es ist erfreulich: Die meisten Menschen in Österreich können und wollen heute damit nichts anfangen. Blaue Kornblumen im Nationalrat am Revers zu tragen, obwohl dies das Erkennungszeichen der illegalen Nazis in den 1930er-Jahren war, oder ähnliche Aktionen gehen heute – Gott sei Dank – gar nicht mehr. Je schneller sich die FPÖ von solchen braunen Unschärfen befreit, desto besser für sie und für Österreich.

Dazu gehört auch die klare Abgrenzung von Parteien wie dem Front National in Frankreich. Die FPÖ sollte sich vielmehr ein Beispiel am italienischen Politiker Gianfranco Fini nehmen, der seine einstmals neofaschistische Partei zu einer konservativ-demokratischen und regierungsfähigen Partei umgepolt hat. Fini selbst wurde zum respektierten Außenminister und schließlich sogar nach Israel eingeladen, wo er eine viel beachtete Rede gehalten hat.

Und noch eine weitere wichtige Erkenntnis aus der Bundespräsidentenwahl: Es gibt einen neuen Bundeskanzler und damit eine gewisse Hoffnung, dass sich Österreich aus seiner ziemlich trostlos gewordenen Situation befreien könnte. Werner Faymann ist vergangene Woche zurückgetreten und hat damit die unglaubliche Aufholjagd von Alexander Van der Bellen erst ermöglicht. Hätte Faymann am Sonntag amtiert, hätten die Proteststimmen Norbert Hofer zu einem Erdrutschsieg verholfen.

Zu guter Letzt: Die herbeibeschworene Spaltung im Land ist Mumpitz. Vielmehr hat in den vergangenen Wochen eine erfrischende Wiederbelebung der Politik stattgefunden, die Österreich nur guttut. Dafür spricht auch die überraschend hohe Wahlbeteiligung. Kommt in den nächsten Wochen und Monaten auch noch die neue Regierung gut in Schwung, dann wird die Bundespräsidentenwahl vielleicht sogar einen positiven Wendepunkt in der politischen Geschichte Österreichs markieren.

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Zum Autor:

Mag. Martin Engelberg ist Psychoanalytiker, geschäftsführender Gesellschafter der Vienna Consulting Group, Lehrbeauftragter an der Wirtschaftsuniversität Wien und Herausgeber des jüdischen Magazins „NU“.

(Print-Ausgabe, 24.05.2016)

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