Wieder das übliche Gesudere der selbst ernannten Bildungsexperten

Das Aussetzen von PISA und aller anderen standardisierten Testverfahren, auf welch krude Namen sie auch immer getauft sein mögen, ist ein Befreiungsschlag.

Es war hart, aber zugleich wahr, was einst Bundeskanzler Alfred Gusenbauer über Leute hat verlauten lassen, die sich berufen fühlen, mit guten Ratschlägen hausieren zu gehen: Das, was man in Österreich gewöhnlich zu hören bekommt, sei „das übliche Gesudere“ von notorischen Besserwissern. Bestätigt sieht man dies nach der Entscheidung der Bildungsministerin, in nächster Zeit die zentral gesteuerten Kompetenzprüfungen an den Schulen auszusetzen. Ein doppelbödiges Klagen darüber hat sie sich damit eingehandelt.

Doppelbödig deshalb, weil den meisten Klagenden mit der Entscheidung der Ministerin eben das weggenommen wurde, was sie am liebsten tun: anhand von Tests, bei denen Österreichs Kinder und Jugendliche – so wollen es die Miesepeter – per definitionem schlecht abschneiden, ihr Gejammer über die ach so schlechte Schule ertönen zu lassen. Selbst beim letzten PISA-Test, bei dem jedenfalls in Mathematik eine beachtliche Verbesserung erzielt worden war, hörte man man nicht auf, die Ergebnisse, wo es nur ging, madigzumachen. Und jetzt soll das plötzlich ein Ende haben? Umso mehr Anlass für die Defätisten, eine noch lautere Elegie anzustimmen.

So weit hergeholt der Anlass des Datenlecks beim famosen BIFIE dafür freilich sein mag, die Entscheidung des Aussetzens von PISA, TIMMS und aller anderen standardisierten Testverfahren, auf welch krude Namen sie auch immer getauft sind, ist ein Befreiungsschlag, der nur guttun kann. Dass der PISA-Macher Andreas Schleicher gereizt warnt, man könne moderne Bildungssysteme „nicht im Blindflug steuern“, zeigt nur, dass die OECD nervös wird, wenn ein Land vom PISA-Zirkus aussteigen will.

Würde das nämlich Schule machen, droht einer ganzen Truppe von selbst ernannten Experten der Verlust ihres schönsten Spielzeugs. Und dass Günter Haider, dem es einst gelang, sich durch PISA bekannt, ja sogar ministrabel gemacht zu haben, mit Verve seine Bereitschaft erklärt, von seinem Institut aus die Tests durchzuführen, zeigt nur: Bei diesem Trubel ist viel Geld im Spiel und einiges zu gewinnen. Nur die Schüler und die Lehrer, die bei den Tests eingespannt werden, ziehen keinen Nutzen daraus. Denn niemand erfährt, wie sie oder er persönlich abgeschnitten hat, ob sie oder er testkonform unterrichtet hat.

Österreich drücke sich, so hört man von den Meckerern, vor dem internationalen Vergleich. Natürlich stimmt das überhaupt nicht. Wir können uns gar nicht vor der Konkurrenz mit anderen Ländern drücken, weil der Erfolg unserer Wirtschaft allein auf dem Wissen und Können derer beruht, die – jedenfalls in der überwiegenden Zahl – in unseren Schulen gelernt haben.

Wenn die Jugendarbeitslosigkeit in Österreich 8,9 Prozent beträgt, sie hingegen in Finnland mehr als doppelt so hoch ist und 19,4 Prozent beträgt, tröstet das Lob der OECD über Finnlands Schulsystem wenig. Nicht die Kompetenzprüfungen sorgen dafür, dass in Schulen gut unterrichtet wird, sondern die in ihnen tätigen Lehrer. Kann man sich auf sie verlassen, dass sie nach bestem Wissen und Gewissen ihrer Aufgabe nachkommen, erübrigt sich die Fülle der Tests.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser, lautet der Einwand. Er ist berechtigt. Doch es genügt, in einem angemessenen Maß zentral zu überprüfen, wie gut unterrichtet wird. Und es wäre besser, man zöge nicht internationale Formate dazu heran, die mehr kosten, als sie wert sind, sondern erstellte für unser Land zugeschnittene Vorlagen für Prüfungen. Am besten teilzentral: Basale Aufgaben kommen von außen, weiterführende vom Lehrer der Klasse.

Und jenen Schwarzmalern, die auch hier eine Quelle für ihr Klagen wittern und die monieren, dies sei provinziell, sei kühl erwidert: Selbstbewusst sollten wir den anderen Ländern der OECD zeigen, welche Aufgaben unseren Schülerinnen und Schülern gestellt werden, und dass die meisten von ihnen sie souverän zu lösen verstehen.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zum Autor:

Rudolf Taschner
ist Mathematiker und Betreiber des math.space im
quartier 21, Museumsquartier Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2014)

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