„und wenn's köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen“

1.Teil: „Es gibt nur einen Adel: den Adel der Arbeit“, prangt an einem alten Wiener Haus. Was meinten diejenigen, die das verkündeten, wohl damit?

Viele, die ihre arbeitsfreien Tage den Ferienzeiten der Kinder anpassen müssen, genießen nun in vollen Zügen ihren Urlaub. Viele glauben, nur in dieser Zeit zu sich selbst kommen zu können. Ihre Arbeit lenkt ab, ihre Arbeit höhlt aus, ihre Arbeit entfremdet. Doch das ist nur einer der vielen möglichen Aspekte des vielschichtigen Wortes Arbeit. Möglicherweise gerade nun, in den Wochen der klassischen Sommerferienmonate Juli und August, ein geeigneter Anlass, sich in diesem und ein paar der folgenden „Quergeschrieben“ über den Begriff Arbeit in seiner Vielfalt Gedanken zu machen.

„Es gibt nur einen Adel: den Adel der Arbeit“, prangt in stämmiger Fraktur gesetzt unter einem im Stil des sozialistischen Realismus entworfenen Flachrelief an einem Wiener Haus in der Operngasse, das wohl knapp nach dem Weltkrieg errichtet wurde. Was meinten die Verkünder dieser Parole unter dem „Adel der Arbeit“? Es war das Wort Adel, an dem sie sich orientierten. Der alte Adel war – so sehen es die Verkünder dieser Parole – auf Personen beschränkt, die dem eigentlichen Sinn dieses Begriffes schon lange nicht mehr gerecht wurden. Adel tönt ähnlich wie edel, und in der Tat glaubten einst Naive, dass in einem Goldenen Zeitalter die Adeligen, die das Privileg besaßen, von anderen unabhängig, sorgenfrei, sicher und selbstbestimmt ihr Leben gestalten zu können, zugleich die Edlen der Gesellschaft waren.


Spätestens in der Renaissance wurde die „seit jeher“, die gleichsam gottgegebene Vorherrschaft des Adels infrage gestellt. Spätestens 1848 erkannte man: Dass man in eine vornehme Familie geboren wurde, ist glatter Zufall. Dass man sich als edler Mensch erweist, Frucht der Arbeit an sich selbst. Und das eine hat mit dem anderen ursächlich überhaupt nichts gemein.

Doch damals, als das Relief an das Haus angebracht wurde, gab es noch eine Idee davon, dass der Mensch „edel“ sein könne. Allerdings jeder Mensch, egal welcher Herkunft er ist. Und die Schöpfer der Parole gestehen nur demjenigen zu, ein „edler“ Mensch zu sein, der sich gesellschaftlich als solcher erweist. Nur im Privaten einer edlen Gesinnung zu frönen, nur an sich selbst zu arbeiten, ist zu wenig. Man muss sich in der Gesellschaft bewähren. Eben dadurch, dass man für sie Arbeit verrichtet.


So gesehen ist Arbeit nicht bloß ein Beitrag zur Erhöhung des gesellschaftlichen Vermögens, nicht bloß ein Posten in der Summe des Bruttoinlandsprodukts, sondern Arbeit ist vielmehr der Ausweis einer mustergültigen und vorbildhaften Persönlichkeit.

Eigenartig, dass eben in jener Zeit die eigenartigen Begriffe des Arbeitnehmers und Arbeitgebers entstanden sind. Eigenartig deshalb, weil man sie im Sinn des eben Gesagten konträr zu dem verstehen sollte, wie sie gemeinhin verstanden werden. Der Arbeitgeber ist vom Wort her derjenige, der uns allen zu unserem Wohl seine Arbeit gibt, und vom Wort her der Arbeitnehmer derjenige, der Nutznießer der zur Verfügung gestellten Arbeit ist, weil er sie sich zu seinem Vorteil nimmt. Aber im üblichen Sprachgebrauch sieht man das gar nicht so. Die Parole auf dem Haus in der Operngasse ist nicht einmal bei ihrer Herstellung im Sinn ihrer Erfinder verstanden worden.

Heute liest sie ohnehin fast niemand mehr. Und wenn, dann irritiert sie. Nicht nur, dass einem das Wort Adel gleichgültig geworden ist, auch das Edle hat ganz und gar an Bedeutung verloren. Wer außerhalb eines Juwelierladens wagt noch, von etwas Edlem zu sprechen? Und bei Arbeit ganz und gar nicht.

Dass Arbeit der Persönlichkeit dessen, der sie leistet, Glanz verleiht, ist ein geradezu barocker Gedanke geworden. Arbeit wird abgeliefert und vergütet, basta. Sie ist bloß Ware auf einem anonymen Markt geworden. Dass man mit ihr sorgenfrei, sicher und selbstbestimmt sein Leben gestalten könne, müssen wir vergessen.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zum Autor:

Rudolf Taschner
ist Mathematiker und Betreiber des math.space im
quartier 21, Museumsquartier Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2014)

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