„. . . und wenn's köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen“

Vierter Teil: Wie wir Arbeit danach bemessen, ob sie nachhaltig, originell, einzigartig ist, lehren uns der römische Feldherr Cäsar – und sein Koch.

Wer baute das siebentorige Theben? In den Büchern stehen die Namen von Königen. Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt?“, lässt Bert Brecht seinen „lesenden Arbeiter“ fragen. Der Fragen ist kein Ende: „Und das mehrmals zerstörte Babylon, wer baute es so viele Male auf? In welchen Häusern des goldstrahlenden Lima wohnten die Bauleute?“

So geht es in einem fort, über „Der junge Alexander eroberte Indien. Er allein? Cäsar schlug die Gallier. Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?“ bis hin zu den Großtaten moderner Herrscher. „So viele Berichte, so viele Fragen“, damit beschließt Brecht sein Gedicht.

In der Tat schlug Cäsar die Gallier und nicht sein Koch. Doch ohne seinen Koch, so Brecht, wäre es ihm nicht gelungen. Die Geschichtsbücher, beklagt Brecht, kümmern sich nicht um Cäsars Koch, den er, Cäsar, für seine Arbeit als Statthalter Galliens benötigte. Cäsars Leistung überdauert die Jahrhunderte, die seines Kochs ist schon am nächsten Tag vergessen.

An diesen beiden, Cäsar und seinem Koch, ersieht man drei Unterscheidungsmerkmale von Arbeiten. Erstens, wie nachhaltig die geleistete Arbeit ist: Die Arbeit von Cäsars Koch hielt nur so lange, bis das Essen serviert war. Jene Arbeiter, die für den Bau des siebentorigen Theben die Felsbrocken herbeigeschleppt hatten, leisteten im Vergleich nachhaltigere Arbeit, sogar eine von den Königen für die Ewigkeit gedachte.

Zweitens, wie originell die geleistete Arbeit ist: Es ist nicht überliefert, ob Cäsars Koch eigene Kreationen schuf, mit denen er seinen Herrn beeindruckte, oder ob er, was eher anzunehmen ist, einfach nur mit den gelernten und gängigen Rezepten dafür gesorgt hat, dass Cäsars Hunger und Durst gestillt waren.

Drittens, wie – auf die arbeitende Person bezogen – einzigartig die geleistete Arbeit ist: Cäsars Koch konnte, selbst wenn dieser sich mit Meisterstücken seiner Kunst ausgezeichnet hat, durch einen anderen ersetzt werden, sollte er bei einer Schlacht fallen.

Wäre hingegen Cäsar bei der Schlacht gegen Vercingetorix gefallen, die Weltgeschichte hätte einen anderen Verlauf genommen.

Die drei Unterscheidungsmerkmale sagen nicht notwendig etwas über den Wert der Arbeit aus. Man darf sich Cäsars Koch, selbst wenn er Tag für Tag fantasielos die Gerichte zubereitet hat, als einen mit seiner Arbeit zufriedenen, von seinem Herrn belobigten und glücklichen Menschen denken. Wohl aber erkennt man an den Unterscheidungsmerkmalen, welche Arbeiten im Lauf des technischen Fortschritts zur Entlastung des Menschen von Maschinen übernommen werden können: jene, die keine Originalität in sich tragen und unter diesen bevorzugt jene, die nicht nachhaltig sind.

Vor sieben Jahren erzählte ich an dieser Stelle von Fiffi, einem Roboter in der Kanzlei meines Freundes Max Eiselsberg, der von einem Zufallsgenerator getrieben über die Böden der Zimmer wuselt und saugt, ohne dass man sich um ihn kümmern muss. Hindernisse lernt er geschickt zu umgehen, und wenn ihm die Energie zu schwinden droht, findet Fiffi von selbst die Spannungsquelle, an der er auftanken kann. Es setzt sich auf sie, wartet sein Aufladen ab und beginnt danach frisch erholt von Neuem mit der Arbeit.

Sibylle Hamann hat kürzlich darüber geschrieben, dass Alte und Demente von Automaten betreut werden könnten. Wenn es sich um die alltägliche Pflegearbeit handelt, ist dies kein abschreckender Gedanke.

Arbeit selbst wird dabei nicht schwinden, nur verwandelt. Denn es muss Leute geben, die Roboter wie Fiffi konstruieren, herstellen, verbessern. Auch hierbei werden die arbeitenden Menschen mehr oder weniger nachhaltige, mehr oder weniger originelle Dienste verrichten, wie einst zur Zeit von Cäsars Koch.

Und zuweilen wird eine dieser Arbeiten eine unerhörte Errungenschaft bedeuten, die zu Recht mit dem Namen dessen verbunden bleibt, der sie geleistet hat.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

Zum Autor:

Rudolf Taschner
ist Mathematiker und Betreiber des math.space im
quartier 21, Museumsquartier Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2014)

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