Ein Lob dem Ingeniör, denn ihm ist bekanntlich nichts zu schwör

„Wir stellen die Fragen. Seit 1365“, affichiert die Universität Wien. Der Diplomingenieur repliziert souverän: „Wir geben die Antworten. Hier und heute.“

Im Entenhausen genannten Universum, das der begnadete, bei Disney angestellte Zeichner Carl Barks entworfen hat, nimmt neben dem vielseitigen Helden Donald Duck, seinen drei Neffen, Tick, Trick, Track, seiner ewigen Verlobten Daisy, seinem Widersacher Gustav Gans und seinem reichen geizigen Onkel Dagobert der geniale Erfinder Daniel Düsentrieb einen ganz besonderen Platz ein.

Zu Beginn hatte ihn Barks seinem Publikum als nur beiläufige Figur vorgestellt, darum verpasste er ihm nicht die typische Physiognomie der Ducks, sondern stattete ihn mit Hosen und Schuhen aus. Aber bald hatte er seine Kreation so lieb gewonnen, dass er in Daniel Düsentrieb seinen eigenen insgeheimen Traum, nämlich nicht Zeichner, sondern Techniker zu werden, wenigstens in fantasiereichen Geschichten verwirklichen konnte: „Ich bin der geborene Erfinder“, schrieb Barks über sich, „ich denke mir alle möglichen und unmöglichen Gerätschaften aus. Es wäre schier unmöglich, all die zahllosen Erfindungen zum Patent anzumelden, die mir mal im Kopf herumgekreist sind.“

Kongenial und wunderbar einfühlsam stellte die brillante Übersetzerin Erika Fuchs diese Figur ihrer deutschsprachigen Fangemeinde vor. Nicht von ungefähr, war doch ihr Gatte selbst Erfinder, der an der TU München Technische Morphologie lehrte. Dementsprechend verlieh Fuchs dem geistreichen Daniel den schönen Titel eines Diplomingenieurs und stattete ihn mit ihrem Sprachwitz mit all jenen Attributen aus, die die Inhaber dieses Titels auszeichnen.

Nicht umsonst steckt im Wort Ingenieur der Begriff Genie: Jeder gute Ingenieur muss zumindest ein wenig genial sein. Aber dieses Genie weiß um das Machbare Bescheid, es erkennt, welche Wege das Ziel nie erreichen, und ersinnt ideenreich Um- und Auswege, die stattdessen erfolgversprechend sind. Ganz im Sinn des Leitspruchs von Erika Fuchs: „Dem Ingeniör ist nichts zu schwör.“

Hilfsbereit und kooperativ präsentiert sich der Ingenieur seinen Auftraggebern, wenn diese klare Pläne und konzise Absichten haben. Nicht zurecht findet er sich hingegen, wenn er einem nebulosen Geplapper ausgesetzt ist, wie man es so oft bei politischen Diskussionen erlebt.

Dies mag einer der Gründe dafür sein, warum leider die meisten Ingenieure das politische Geschäft meiden und nur wenige Techniker hohe politische Ränge einnehmen. Leider deshalb, weil der Politik die Auffassungsgabe, die Präzision und die Gründlichkeit von Ingenieuren sehr guttäte. Eine dieser wenigen prägenden Gestalten war in der damals noch jungen Zweiten Republik der gelernte Elektrotechniker Karl Waldbrunner, der in seinem Äußeren dem Diplomingenieur Düsentrieb sogar ähnlich sah.

Zu Waldbrunners Zeit gab es praktisch keine weiblichen Ingenieure. Dies hat sich seither geändert. Selbst in dem als besonders männlich verschrienen Fach Elektrotechnik studieren zunehmend Frauen. Bei den Mathematikprüfungen, die als besondere Hürde gelten, stelle ich immer wieder fest, dass die künftigen weiblichen Ingenieure fast durchwegs die meisten ihrer männlichen Kommilitonen an Fachwissen, Ehrgeiz und Können übertrumpfen.

Noch immer gibt es wenige weibliche Diplomingenieure. Aber diese wenigen werden mit Sicherheit interessante und lohnende Positionen in Technik und Wirtschaft einnehmen, ohne dass es hierzu einer Quote bedürfen würde.

Als Donald einmal eine seiner famosen Erfindungen bestaunt, prahlt Daniel ein wenig mit Wissen: „Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als Ihre Schulweisheit sich träumt“ – und in der beigefügten Gedankenblase notiert Erika Fuchs: „Shakespeare, Hamlet, 1.Akt – sehr gebildet!“

Das Vorurteil, humanistische Bildung sei dem Ingenieur fremd, widerlegt sie subtil. Fragen, wie sie die Universität Wien seit 1365 stellt, ist auch er gegenüber offen – und bei einigen lebenswichtigen kennt er sogar die Antworten.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.03.2015)

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