Alte und junge Protagonisten der Wirtschaft kundig befragt

So wechselvoll die Ereignisse der österreichischen Wirtschaftsgeschichte der vergangenen 50 Jahre waren, so bunt liest sich das jüngste Buch von Herbert Cordt.

Das Goldene Zeitalter gibt es nur in der verklärten Erinnerung. Das Gedächtnis geht oft gütig mit uns um: Von den lang vergangenen Ereignissen vergessen wir die bitteren und malen uns die angenehmen schön. So kam es bereits in der Antike dazu, dass die Mär von einer paradiesischen, doch leider unwiederbringlich verflossenen Epoche der Menschheit entstand, als die Menschen weder Kriege noch Verbrechen kannten, noch der Gier ergeben waren, sondern sich eins mit einer elysischen Natur wussten.

Wenn im Untertitel von Herbert Cordts jüngstem Buch „Auf der Überholspur“ vom „Goldenen Zeitalter der österreichischen Wirtschaft“ die Rede ist, das sich vom Staatsvertrag bis heute erstreckt, so darf man in dieser Metapher ein wenig Ironie herauslesen. Schon aus ihrem Selbstverständnis, weil sie die stets besser zu gestaltende Zukunft im Auge hat, kennt die Wirtschaft kein Goldenes Zeitalter, wie es sich die Antike ausgemalt hat. Wohl aber waren die Zeitabschnitte des vergangenen halben Jahrhunderts in Österreich, die Ära der Gründerväter des nach 1955 umfassend souverän gewordenen Staates, die mit den Namen Kreisky und Androsch verbundene Ära der erwartungsfrohen Siebzigerjahre und jene nachfolgende Epoche, die Österreich in die von der Informationsindustrie beherrschte Welt führte, von verdientem Stolz über das Erreichte und von großer Hoffnung und berechtigtem Optimismus geprägt.

Hierüber, aber auch über vieles anderes mehr, berichtet facettenreich das Buch von Herbert Cordt.


So wechselvoll und vielgestaltig die Ereignisse der österreichischen Wirtschaftsgeschichte der vergangenen 50 Jahre waren, so bunt liest sich das Buch. Man kann es vom Anfang bis zum Ende in einem Zug studieren, man kann es aber auch als Kaleidoskop im besten Sinn des Wortes verstehen und beliebig einzelne Abschnitte herausgreifen. Der Farbenreichtum des Buches gründet auf der Tatsache, dass 40 prominente Protagonisten der österreichischen Wirtschaft selbst zu Wort kommen und in lebendiger Schilderung von ihren eigenen Entscheidungen und von den Verfügungen ihrer Partner oder Konkurrenten berichten. Unter ihnen erfahrene Meister der Vergangenheit wie Hannes Androsch, Heinz Kienzl, Herbert Krejci, Josef Taus.

Gleich zu Beginn wird das mit der Leidenschaft eines Patrioten geäußerte Wort von Bruno Kreisky zitiert: „Eher beiß' ich mir die Zunge ab, als dass ich zugebe, dass wir nur ein halb souveräner Staat sind“ – er sagte dies im Zuge der Verhandlungen mit der damaligen EWG, bei denen man diplomatisch geschickt auf die Vorbehalte der Sowjetunion Rücksicht zu nehmen hatte. Angesichts der Frage, wie viel Souveränität ein Staat der EU überantworten soll, unabhängig davon, wie sehr diese Union der Wirtschaft nützt, erweist sich diese Zitat noch immer als aktuell. Und in der Tat wird den Bemühungen Österreichs, sich in den gemeinsamen europäischen Markt zu integrieren, im vorliegenden Buch breiter Raum gegönnt.


Doch abgesehen davon findet der Leser zahlreiche kostbare Perlen der österreichischen Wirtschaftsgeschichte, unter denen der höchst eigenartige Verkauf der Creditanstalt wohl eine der besonders barocken ist. „How not to privatise a bank“, schrieb damals das „Wall Street Journal“. Und wenn man bedenkt, dass in Kürze das ehemalige Hauptgebäude am Ring von seinem italienischen Besitzer veräußert wird, klingt die Aussage befremdlich, mit der die damalige Präsidentin der Nationalbank ein seriöses Interesse der Credit Suisse brüsk abgelehnt hat: „Das Schweizer weiße Kreuz auf rotem Grund wird niemals am Schottentor wehen.“

Dennoch ist Pessimismus dem Buch fremd. Denn in Österreich sind immer noch Unternehmer tätig, die dafür sorgen können, dass das Land auf die Überholspur zurückfindet. Zwei junge und profilierte unter ihnen, Hermann Kopetz und Stefan Poledna, zeugen in dem Buch davon.

Zum Autor:

Rudolf Taschnerist Mathematiker und Betreiber des math.space im quartier 21, Museumsquartier Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2015)

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