In der Tradition Kakaniens: Warum nicht einen „ewigen Kaiser“?

Die blamablen Patzer bei der Vorbereitung und Durchführung der Volkswahl zum Bundespräsidenten sind nur äußeres Zeichen einer viel erbärmlicheren Misere.

Wahl in Österreich wird zum Albtraum“, titelte die NZZ am vergangenen Wochenende, ergänzt mit dem Untertitel: „Österreich scheint neuerlich nicht fähig, eine korrekte Präsidentenwahl durchzuführen.“ In Wahrheit sind die blamablen Patzer bei der Vorbereitung und Durchführung der Volkswahl zum Bundespräsidenten nur äußeres Zeichen einer viel erbärmlicheren Misere.

Der außergewöhnlich kluge Verfassungsexperte Hans Kelsen schrieb 1920 das Amt des Bundespräsidenten nur äußerst widerwillig und auf Druck derer in die Verfassung, die einen Art Ersatzmonarchen wollten. Und eine Verfassungsnovelle von 1929, beschlossen gegen Kelsens heftigen Protest, gab dem Präsidenten noch mehr Macht, als ihm die Verfassung von 1920 zugestanden hatte. Dafür sollte er vom Volk gewählt werden. In der Realität hatten die Präsidenten bisher die ihnen zugestandene Machtfülle nie zur Gänze ins Spiel gebracht. Nur bei Wahlkämpfen wurde darüber, zumeist völlig unangemessen, diskutiert – alles in allem höchst bedenklich.

Hinzu kommt noch, dass bei der anstehenden Stichwahl die beiden Bewerber anlässlich ihrer ohne Moderator durchgeführten Fernsehdiskussion erkennen ließen, dass sie beide dem Anspruch und der Würde des höchsten Amtes im Staat nicht entsprechen. Am bedenklichsten aber sind Aufrufe, man möge einen der beiden wählen, nur damit der andere nicht ins Amt gelange.

Das mag zwar wahltaktisch gewieft klingen, ist aber angesichts einer von Verantwortung getragenen demokratischen Entscheidung grundsätzlich und rigoros zu verwerfen: Denn man wählt keine Person ab. Wenn man wählt, entscheidet man sich für eine Person, der man das Amt zusprechen möchte. Und wenn man beide nicht für geeignet hält, gibt es kein „kleineres Übel“, sondern nur die Entscheidung, keinem der beiden seine Stimme anzuvertrauen.

Die Zeit zwischen Juli und heute bewies, dass Kelsen mit seinem Misstrauen recht hatte. Es ist nicht notwendig, dem Staat einen Bundespräsidenten an die Spitze zu setzen. Dessen für das Staatsgeschehen notwendigen Amtsgeschäfte könnte genauso gut den Präsidenten des Nationalrats in einem rotierenden Verfahren anheimgestellt werden. Es bedürfte nur des Mutes der jetzt agierenden Politiker, eine Verfassungsänderung in dieser Richtung zu lancieren. Grund genug dafür haben sie spätestens jetzt.

Natürlich würde dadurch dem Staat der letzte, wenn auch jämmerlich matt gewordene Abglanz monarchischer Repräsentation weggenommen. Als Ausweg– wenn man schon die Verfassung ändert – bietet sich dazu an, eine Symbolfigur dafür zu wählen: Es wäre eine der Tradition Kakaniens würdige Idee, Kaiser Franz Joseph, der nun, nachdem er für seine vielen Fehler und Versäumnisse 100 Jahre im Fegefeuer verschwunden ist, als zwar physisch nie anwesendes – weil er auf Staatsvisite im Himmel weilt –, aber als symbolisches Haupt des demokratisch geführten und auf Verfassungstreue beruhenden Österreich zu restituieren. Der Thron bliebe ewig unbesetzt, einzig mit dem vom grünen Federschmuck besetzten Kaiserhut geschmückt.

Ein von der Bundesversammlung bestellter Haushofmeister übernähme die Agenden des nie anwesenden „ewigen Kaisers“. Mit den Stellungnahmen „Mir bleibt auch nichts erspart“ berichtete er, wie Seine Majestät die an ihn gelangenden schlechten Nachrichten kommentiert, die guten aber mit: „Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut.“ Österreich hätte seine alte, melodisch der jetzigen haushoch überlegene Hymne, die Soldaten hätten wie einst die feschesten Uniformen, das damit verbundene Zeremoniell wäre ein touristischer Magnet erster Güte.

Und wenn dann der Bundeskanzler in Vertretung Seiner Majestät in der Faschingssaison den k. u. k.Hofopernball eröffnete, erhielte er dafür die Erlaubnis mit einem Schreiben, das mit den Worten „Mein lieber Kern“ beginnt.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zum Autor:

Rudolf Taschner
ist Mathematiker

an der TU Wien und betreibt mit seiner Frau und Kollegen
der TU Wien das Projekt Math.space im Wiener
Museumsquartier.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2016)

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