Nachdenklich im Oval Office: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte

„Donald Trump lauscht Noch-Präsident Obama“
„Donald Trump lauscht Noch-Präsident Obama“APA/AFP/JIM WATSON
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Mag sein, dass alle, die auf den Rabauken Donald Trump nur mit Ablehnung, ja sogar mit Hass reagieren, recht haben. Mag aber auch sein, dass sie sich irren.

Unter den Millionen Bildern, die stündlich von Pressefotografen zu allen möglichen Anlässen geschossen werden, bleiben nur wenige als herausragend in Erinnerung, weil sie auf einzigartige Weise eine Stimmung zu vermitteln vermögen. Dies gilt für die Umarmung von de Gaulle und Adenauer anlässlich der Unterzeichnung des Élysée-Vertrags. Das war damals noch eine außerordentliche Geste.

Heutzutage aber können sich selbst seine erbittertsten Gegner kaum noch vor dem Umarmungs- und Bussi-Bussi-Gehabe eines Jean-Claude Juncker sicher fühlen. Diese Unart aber zieht über ihn hinaus viel weitere Kreise. Unvergesslich auch die weit auseinandergestreckten Arme eines trotzigen und zugleich verzweifelten Richard Nixon, als er von einem Hubschrauber ein für alle Male vom Zentrum der Macht weg in die politische Wüste verfrachtet wurde.

Am 10. November schoss Jim Watson im Weißen Haus in Washington für die großen Presseagenturen ein Bild, das „Die Presse“ mit dem Untertitel „Donald Trump lauscht Noch-Präsident Obama“ veröffentlichte. Ich fürchte, es wird im Ozean der Myriaden anderer Fotografien nach einem Augenblick der Zurkenntnisnahme untergehen.

Die Mehrzahl der Meinungsbildner und Journalisten Europas hat sich nämlich scheinbar darauf verständigt, dass man gegen den Rabauken Trump nur mit Ablehnung, wenn nicht sogar mit abgrundtiefem Hass Stellung nehmen muss. Dass ihm etwas anderes als nur Verabscheuungswürdiges aus dem Gehege seiner Zähne entfliehen könnte, schließen sie dogmatisch aus. Ein Bild von ihm unvoreingenommen zu betrachten, kommt ihnen daher nicht in den Sinn.

Diejenigen wiederum, die den Sieg Trumps bejubeln, werden in ihrer Euphorie aus dem Bild von Jim Watson nicht die leise Gedrücktheit wahrnehmen wollen, die auf ihm lastet. Rechts sieht man den Hausherren Barack Obama, der auf eine lange Erfahrung von Hoch- und Tiefpunkten eines Präsidentenlebens zurückblicken kann und dem, das müssen ihm neidlos seine Kritiker lassen, mit seinem stupenden rhetorischen Talent eine wunderbare Geste von Fairness und Lauterkeit in der Ankündigung einer ehrenhaften Amtsübergabe gelingt. Links sitzt Trump, keineswegs triumphierend, nicht einmal heiter gelassen, überhaupt nicht patzig, sondern sogar nachdenklich.

Vielleicht kam ihm in diesen Augenblicken zu Bewusstsein, dass nun das ernst geworden ist, was er als verwegenes Spiel begann. Als Trump knapp 14 Jahre alt war, zog der ähnlich wie Obama rhetorisch begabte Charismatiker John F. Kennedy mit seiner belesenen und eleganten Frau Jacqueline hier ein und entwarf das Bild eines Amerikas, das diejenigen, die an die Zukunft glauben, nicht enttäuschen wird. Kennedys große Rede, bei der er die Eroberung des Mondes binnen eines Jahrzehntes ankündigte, beflügelte und leitete tatsächlich eine Ära des von der Technik vorangetriebenen Wohlstands ein. Gegen Ende des Jahrhunderts, im Nachhall der Präsidentschaft Reagans, war der damals eingepflanzte Glaube an die Zukunft besonders stark.

Doch seither verfällt er zusehends. Obamas „Hope“ erwies sich leider als Strohfeuer. Die Menschen sind vom Establishment der Bushs, der Clintons verbittert, das sich, vom Erbe zehrend, in der bequemen Gegenwart einrichtete und die Utopie einer für alle hoffnungsfrohen Zukunft mit hohlen Phrasen beiseite schiebt. Jetzt, dessen war sich Trump im Augenblick des Blitzlichts vielleicht bewusst, kommt es auf ihn an, nicht allein mit dem Wort „make America great again“, sondern auch mit klugen Maßnahmen zu beweisen, dass es sich für seine Landsleute, ja für die ganze westliche Welt wieder lohnt, an die Zukunft zu glauben.

Mag sein, dass von mir zu viel in das Bild hineingelesen wird. Mag sein, dass der künftige Präsident diesen einen Augenblick wieder vergessen wird. Es kann aber auch sein, dass sich die unerbittlichen Hasser Trumps in diesem irren.

E-Mails an:debatte@diepresse.comZum Autor:

Rudolf Taschner
ist Mathematiker
und Betreiber
des math.space im
quartier 21, Museumsquartier Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2016)

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