Wer bietet mehr?

Ich will von Politikern nichts geschenkt. Ich will, dass sie Politik machen.

Ich mag keine Geschenke. Zumindest keine, die mich zufällig treffen. Wenn ich Waschpulver kaufe, brauche ich im Normalfall nicht noch Schwimmflügerl umsonst dazu. Wer mir zur Marmelade, die ich mag, eine Packung Frückstücksflocken dazulegt, die ich nicht mag, macht mir keine Freude. Einen Bolzenschneider brauche ich auch dann nicht, wenn ich zwei zum Preis von einem kriege. Und wer mir Gutscheine, Gratiszeitungen, Vorteilskombis oder sonstwelche Schnäppchen aufdrängt, sät in mir Misstrauen.

„Geld gegen Leistung“ ist ein sauberes, übersichtliches, faires Prinzip. Es gibt eigentlich keinen Grund, es durch ein Prinzip zu ersetzen, das sich ungefähr wie folgt beschreiben lässt: Ich werf' dir irgendwas vor die Füße, und du schaust dann, ob du's vielleicht brauchen kannst. Kostet eh nix. Ist also wurscht.

Dieses Misstrauen mag uncool sein, aber es ist einfach da. Es richtet sich gegen Drogeriemärkte ebenso wie gegen Politiker. Die monatliche Familienbeihilfe etwa ist eine gesellschaftspolitisch sinnvolle Leistung. Aber warum plötzlich 13-mal? Warum dann nicht gleich 17- oder 23-mal? Ich will kein Gratisbenzin und kein Schulstartgeld bar aufs Handerl. Ich will den Einmal-Teuerungsausgleich ebenso wenig wie die Einwegfeuerzeuge bei den trostlosen Wahlkampfveranstaltungen. Ich will mich nicht artig bedanken müssen bei Menschen, die mir mit großherziger Geste Zeug in die Hand drücken, das sie mit jenem Geld gekauft haben, das ich ihnen eben erst selbst überwiesen habe.

Vor allem aber verstehe ich die Botschaft nicht, die mit den Geschenken einhergeht: Glauben die etwa wirklich, ich wähle den, der mir am meisten schenkt? Oder glauben die, ich empfinde klammheimliche Freude dabei, erst so viel wie möglich abzustauben und am Ende – ätsch – dann doch für die Konkurrenz zu stimmen? So ungefähr funktioniert das im Kongo, wo aus den Wahlkampfautos heraus Geldscheine in die Menge geworfen werden. Mir zu unterstellen, ich träfe nach fast hundert Jahren Wahlrecht meine Entscheidung nach kongolesischen Kriterien, empfinde ich als Beleidigung meiner Intelligenz.

Ich will von Politikern nichts geschenkt. Ich will, dass Politiker ihre Arbeit tun und sich Regeln für unser Zusammenleben ausdenken, die mich überzeugen. Statt einer Familienbeihilfe mehr aufs Handerl will ich eine Familien- und Steuerpolitik, die meinem Gesellschaftsbild entgegenkommt. Statt um fünf Cent billigerer Milch will ich eine Wirtschaftspolitik, die dafür sorgt, dass sowohl die Milchbauern als auch die Handelsangestellten von ihrer Arbeit anständig leben können. Statt Gratisbenzin will ich eine Verkehrspolitik, die in meinen Augen Sinn für die Allgemeinheit ergibt.

Und wenn all das bedeuten sollte, dass man mir konkret nichts schenkt, sondern im Gegenteil etwas wegnehmen muss – dann soll es so sein. Dann weiß ich wenigstens, dass ich für mein Geld eine faire, übersichtliche, saubere Gegenleistung bekomme. Es ist jene Leistung, für die wir Politiker mit Ämtern und Würden ausstatten und die langläufig „Politik“ genannt wird.

Bin ich damit wirklich ganz allein?

Sibylle Hamann ist Journalistin in Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2008)

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