Was Ideologie nicht schafft, kriegt Starbucks locker hin

Kuba und die USA nehmen diplomatische Beziehungen auf. Damit ist auch bald das dumme Wirtschaftsembargo vorbei, das Fidel Castro so lang an der Macht hielt.

Das Dokument trägt den Namen „Proclamation 3447“, das präsidentielle Siegel, das Datum 3.Februar 1962 sowie die Unterschrift von John F. Kennedy. Doch der kühne Blick des feschen Präsidenten kann nicht darüber hinwegtäuschen: Es war eines der dümmsten Gesetze, das eine westliche Demokratie je hervorgebracht hat.

Verhängt wurde das US-Wirtschaftsembargo gegen Kuba in der heißesten Phase des Kalten Kriegs – mit einem Ziel: die kommunistische Regierung auf der Insel in die Knie zu zwingen. Doch geworden ist es ein Lehrbeispiel dafür, wie autoritäre Erziehungsmaßnahmen funktionieren – nämlich gar nicht. Meistens erzeugen sie gar das Gegenteil von dem, was man erreichen will: Trotz und Bestemm nach dem Motto „Jetzt erst recht“.

Je ungerechter sich der Gemaßregelte behandelt fühlt, desto eher sieht er sich in seinem Weltbild bestätigt. Und desto entschlossener bleibt er auf Kurs.

Mehr als ein halbes Jahrhundert sind die Sanktionen nun in Kraft. Sie verboten US-Bürgern, ihren Fuß auf kubanischen Boden zu setzen; sie verboten ihnen, kubanische Produkte (Rum, Zigarren!) zu kaufen, zu konsumieren oder sich schenken zu lassen; sie verboten US-Firmen samt deren ausländischen Töchtern, Produkte auf den kubanischen Markt zu bringen, Verkehrsverbindungen auf die Insel zu unterhalten, sowie jede andere Art von Geschäftsbeziehungen. Zuwiderhandeln wurde, zumindest theoretisch, mit zehn Jahren Gefängnis und hohen Geldstrafen belegt.

Genützt hat das niemandem in den USA. Den US-Farmern nicht, die den Kubanern gern Mais und Erdnüsse verkauft hätten, den US-Touristen nicht, die ihr Geld gern beim Salsatanzen in Varadero ausgegeben hätten, statt immer auf den Bahamas oder in Cancun, Reisenden, die Umwege über Kanada oder Mexiko buchen mussten, um die 366 Kilometer zwischen Miami und Havanna zu überwinden. Auch den Banken nicht, die gern am regen Überweisungsverkehr zwischen Kubanern und kubanischer Diaspora verdient hätten. Sogar die Exilkubaner in Florida, die überzeugtesten Verfechter des Embargos, müssen Momente des Zweifels erlebt haben. Spätestens, wenn die Oma in Kuba im Sterben lag und man sie nicht besuchen konnte.

Alle Unbill hätte man vielleicht noch in Kauf nehmen können, hätte es dem hehren Zweck gedient, Kuba freier und demokratischer zu machen. Doch das Gegenteil ist passiert. Dem KP-Regime hat das Embargo mehr genützt als geschadet. Wahrscheinlich kann man sogar sagen: Ohne Embargo wären die Castro-Brüder schon längst nicht mehr an der Macht.

„El bloqueo“ heißt die Sache, von kubanischer Seite aus betrachtet. Es diente der Regierung jahrzehntelang gleichzeitig als Universalausrede und als Existenzberechtigung. Das Mehl im Geschäft ist aus, der Durchlauferhitzer kaputt, es gibt keine Ersatzteile für die Dreschmaschine, es ist keine Seife mehr da? „El bloqueo“ ist schuld. Die Spitäler haben keinen Impfstoff, in den Schulen fehlt Schreibpapier. Es ist zu wenig Benzin für die öffentlichen Autobusse da? Beschwert euch bei den Yankees und ihrer skrupellosen Blockadepolitik!

Computer, Internetzugang, unabhängige Zeitungen und Blogs, Datenleitungen in jedes Haus? Würden wir euch prinzipiell gern gewähren, „el bloqueo“ hindert uns aber daran! Und Menschenrechte, Meinungsfreiheit. Demokratie, Wahlen? Sind leider im Moment ganz und gar unmöglich – denn jeder klitzekleine Schritt in diese Richtung würde den US-Amerikanern signalisieren, dass „el bloqueo“ wirkt! Und diesen Triumph wird ihnen doch niemand in Kuba gönnen wollen!

Kuba wird sich rasant verändern, sobald das Embargo fällt. Sobald US-Bürger ins Land strömen – Touristen, Verwandte, Unternehmer – samt ihren Dollars, Kreditkarten, Smartphones, samt YouTube, Burger King und Starbucks. Es wird nicht alles gut sein, was dann passiert. Aber John F. Kennedy hätte sich gewundert, wie schnell es geht.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

Zur Autorin:

Sibylle Hamann
ist Journalistin

in Wien.
Ihre Website:

www.sibyllehamann.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2015)

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