Es war vielleicht gar keine Liebe – sie wollte immer nur unser Geld

Die Bank und ihre Kunden: eine schwierige Beziehung voller Missverständnisse – bis heute. Je weniger sie für uns tut, desto mehr Gebühren will sie von uns.

Es war einmal eine Bank, die unsere Nähe suchte. Sie lockte uns mit Plüschbienen, Radiergummis in Neonfarben und Plastikspardosen in Schatzkistenform. „Kommt zu uns, wir haben euch gern!“, rief sie uns Kindern zu, und jedes Jahr zum Weltspartag taten wir wie uns geheißen. Zogen von einer Filiale zur nächsten, eröffneten bei jeder ein „Sumsi“-Sparbuch mit fünf Schilling Einlage und freuten uns diebisch über die Werbegeschenke, die wir dafür einheimsten. Wir hatten die Bank ausgetrickst, dachten wir. Zehn Plüschtiere und dazu noch fünf Prozent Zinsen im Jahr!

Wir wussten ja nicht, dass das eigentlich zu wenig war. Denn ihren Schuldnern verrechnete die Bank gleichzeitig elf, zwölf Prozent. Egal. Wir trugen unser Geld weiterhin aufs Sumsi-Sparbuch. Wohin denn sonst?

Dann wurden wir älter, und die Bank drängte uns keine Plüschbienen mehr auf, sondern Konsumkredite. Das Moped, das Auto, eine Reise, eine E-Gitarre. „Kein Problem, komm einfach zu uns, wir erfüllen dir deinen Herzenswunsch, hol dir deinen Sofortkredit!“ Nett war sie, die Bank. Grenzenlos vertrauensvoll. Fragte nicht nach Bürgen und Sicherheiten, sondern schob uns das Geld einfach herüber, und noch ein paar Tausender dazu, für unvorhergesehene Extraausgaben.

O ja, wir wussten, dass wir das jahrelang abstottern würden. Aber die horrenden Überziehungszinsen, die noch dazukamen, wenn nicht genug Geld für die Rate auf dem Konto war – die überraschten uns dann doch. Die Bank überraschten sie nicht, sie hatte fix damit gerechnet. Selbst schuld, seufzten wir, kein Glück ohne Schmerzen, und zahlten brav. Was blieb uns anderes übrig?

Dann brach die Zeit der Mutproben an. Die Bank entdeckte ein neues Hobby, das Finanzjonglieren, und drängte uns mitzutun. Hier ein Yen-Kredit, dort eine kleine Investition auf dem Rohstoffmarkt. Wir fürchteten uns zwar ein bisschen, aber die Bank war enthusiastisch. Ließ uns teilhaben an ihren kleinen Insidergeheimtipps, und die netten Berater, die inzwischen schon schickere Anzüge trugen, zwinkerten uns bei ihren Anlagetipps verschwörerisch zu. Blöd wäre man doch, würde man da nicht mitspielen, „jeder spielt mit, du willst doch nicht der Einzige sein, der übrig bleibt!“ No risk, no fun! Das Risiko trugen wir zwar allein, das erfuhren wir aber erst im Nachhinein.

Dann schickte die Bank uns Steuerzahlern auch noch die Rechnung für ihre eigenen Verluste. Ganz fair fühlte sich das zwar nicht an. Aber wir waren nicht nachtragend – und zahlten. Denn dass die Bank pleitegeht, nein, das hätten wir nicht verantworten können.

Seit diesem Beziehungstest hat sich das Verhalten der Bank uns gegenüber verändert. Vielleicht schämt sie sich. Sie freut sich nicht mehr so sehr, wenn wir vorbeischauen. Bankberater kriegt man kaum mehr zu Gesicht, Anrufe sind selten geworden, immer öfter lässt man uns allein im Foyer herumstehen und an Maschinen hantieren, beobachtet nur von gelangweilt blickendem Security-Personal. Immer öfter sagt uns die Bank ganz direkt: Am liebsten wäre es ihr, wir blieben überhaupt zu Hause.

Wir haben doch eh alle Internet! Kein Grund mehr, einander persönlich zu treffen, Filialen zu heizen und sich zu unterhalten – kann man doch alles vom eigenen Sofa aus erledigen! Irgendwie nett von der Bank, sich um unsere Bequemlichkeit zu sorgen. Dennoch seltsam, dass sie immer mehr Gebühren von uns will, je weniger sie für uns tut. Demnächst, hat sie gemeint, sollen wir auch dafür bezahlen, wenn wir unser Geld selbst vom Automaten holen.

Langsam fühlt sich die Beziehung zu unserer Bank wie eine einseitige Angelegenheit an. Wie ein lästiger Stalker kommt man sich bisweilen vor. Plüschtiere, Zinsen oder irgendeine andere Art von Zuwendung haben wir, wenn wir ehrlich sind, schon lang nicht mehr bekommen.

Und da fällt es uns wie Schuppen von den Augen: Womöglich war es nie eine Beziehung. Womöglich wollte die Bank von Anfang an nur unser Geld.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zur Autorin:

Sibylle Hamann
ist Journalistin

in Wien.
Ihre Website:

www.sibyllehamann.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.