Häme statt Anerkennung: Leistungsträger als Packesel

Anstatt jene Bürger zu motivieren, die auf Eigenverantwortung und Leistung bauen, werden diese von der Politik munter weiter belastet und geschmäht.

Ich kann es nicht mehr hören, wenn darüber gestritten wird, was vom „Bund“ und von den „Ländern“ und „Gemeinden“ bezahlt werden soll! Es scheint aus dem Bewusstsein entschwunden zu sein, dass alles der steuerpflichtige Bürger, nicht der Politiker bezahlt! Es braucht ein radikales Umdenken von jener Umerziehung der Bürger/Wähler, die vor allem die SP-geführten Regierungen seit den Siebzigerjahren verfolgten: Wir verteilen an euch Wohltaten, wenn ihr uns wieder wählt. Im Klartext: Der Bürger als Bittsteller, der vom Staat ein paar Brosamen erhält, die er diesem zuvor weggenommen hat.

Das Ansinnen der Regierungsparteien, den Eingangssteuersatz zu senken, ist ein netter Anfang. Allerdings genügt dies nicht und ist überfällig, denn der Staat ist längst zu einem Räuber mutiert. Der Bürger hat schon seit Langem nicht mehr das Gefühl, seinen fairen Anteil für das Gesamtwohl zu leisten, sondern ausgeplündert zu werden.

Doch die Regierung, vor allem die SPÖ, scheint den Weg fortsetzen zu wollen, das zeigt etwa die aktuelle Debatte über die „Vermögenssteuer“. Dabei wird eine Gruppe als Feindbild diagnostiziert, nämlich die „Reichen“. Gemeint sind damit nicht nur Inhaber ererbter Vermögen, die diese ohnehin meist in Familienstiftungen geparkt haben, sondern auch die Leistungsträger. Das ist jene Schicht, die sehr gut verdient, hohe Steuern zahlt, dafür aber auch enorm viel arbeitet und riskiert. Sie geht spät in Pension, zieht womöglich Kinder groß, deren Ausbildung sie sich einiges kosten lässt, damit aus ihnen später wieder leistungsfähige und -willige Bürger werden, die wiederum viel Steuern zahlen werden.

Ein Beispiel für die Feindbild-Strategie? „Die Reichen“ sollten kein Kindergeld bekommen, wiederholten kürzlich die Grünen ein altbekanntes Falsch-Argument. Sie haben offenbar noch immer nicht verstanden, dass es bei den Familienleistungen nicht um einen Ausgleich zwischen Arm und Reich, sondern um jene mit und jene ohne Kinder geht. Ein allein verdienender Primararzt mit fünf Kindern verfügt eben über weniger Einkommen pro Kopf als jener ohne Kinder, dessen Frau ebenfalls gut verdient.

Es wäre der Leistungselite ohnehin lieber, wenn sie stattdessen steuerlich entlastet würde, sie will nämlich gar keine Almosen vom Staat. Auch jene, die finanziell nicht auf Rosen gebettet sind, kaufen lieber eine Wohnung auf Kredit, statt eine Gemeinde- oder Genossenschaftswohnung zu beanspruchen. Zur „Belohnung“ knöpft man jenen, die sich etwas schaffen wollen, enorme Summen an Steuern ab. Dank der kalten Progression bleibt ihnen zwar immer weniger netto, sie verdienen aber „zu viel“ für Stipendien und sonstige Förderungen. Viele kommen erst gar nicht auf die Idee, um Förderungen oder sonstige Zuschüsse anzusuchen, selbst wenn sie in bestimmten Lebenssituationen darauf Anspruch hätten, etwa als Jungunternehmer oder Jungfamilien.

Doch es geht nicht nur ums Geld, es geht um die Wertigkeit der Leistungseliten in einer Gesellschaft. Für ihre Leistungsbereitschaft und Solidarität mit den Schwachen erhalten sie nämlich keineswegs Respekt und Anerkennung, sondern Neid und Häme. Es ist die Einstellung sowohl der Politik als auch der Mitbürger, die sich ändern muss. Der erste Gedanke sollte nicht sein, auf welche Wohltaten und Zuschüsse des Staates man Anspruch hat, sondern was jeder leisten und beitragen kann.

Sollte sich allerdings die SPÖ-Linie weiter durchsetzen, Leistungsträger immer mehr zu belasten, sie als Packesel der Nation zu betrachten, auf die man zugleich lustvoll eindrischt, wird dies ein böses Ende nehmen. Irgendwann werden diese die (Steuer-)Leistung verweigern. Es lohnt sich etwa nicht, einen Zweitjob auszuüben, wenn man neben der hohen Steuer dann noch zwei Mal Sozialversicherung zahlen muss. Und sollte es der neuen VP-Spitze nicht gelingen, radikal umzudenken und endlich zu handeln – Stichwort Verwaltungsreform und Privilegienabbau – wird die ÖVP bald nur mehr von den Bauern gewählt werden.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

Zur Autorin:

Dr. Gudula
Walterskirchen ist Historikerin und
Publizistin. Sie war bis 2005 Redakteurin der „Presse“, ist seither freie Journalistin und Autorin zahlreicher Bücher mit historischem Schwerpunkt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2014)

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