Verschuldete Gemeinden: Macht Schluss mit der Kirchturmpolitik!

Der Schuldenstand der Gemeinden wächst rasant: Es wurden viele Aufgaben auf sie überwälzt, und sie verfolgen oft falsche Strategien. Umdenken tut dringend not.

Nicht nur der Bund kommt mit seinen Steuereinnahmen nicht aus. Auch bei den Gemeinden klafft ein immer größeres Loch: 4630 Euro – so hoch war 2013 laut Statistik jeder Gemeindebürger in Österreich verschuldet. Tendenz steigend. Manche Gemeinden haben kaum Schulden, andere dafür so hohe, dass sie nicht einmal mehr die Zinsen bedienen können. Im Streit über die Ursache schieben einander Bund, Länder und Gemeinden die Schuld zu.

Die Gründe sind mannigfaltig. Einerseits fielen einige kommunale Einnahmequellen weg, etwa die Getränke- und Werbesteuer. Auf der Ausgabenseite steigen die Kosten, etwa für Soziales, immer mehr. Darauf berufen sich die Gemeindevertreter ständig, und teilweise mit Recht. Es gibt zwei Möglichkeiten für das Kippen ins Minus: Entweder wirtschaften die Gemeinden immer schlechter, oder sie bekommen zu viele Aufgaben übertragen, ohne von Bund und Ländern dafür honoriert zu werden.

Doch derart einfach können es sich die Gemeinden nicht machen, die Schuld nur anderswo zu suchen. So haben sich etliche Gemeinden auf dem Feld der internationalen Finanzwelt versucht, besser gesagt dilettiert. „Sale and lease back“, hieß der Zauberspruch: Verkaufe deine Infrastruktur, die ohnehin niemand wegtragen kann, und miete sie zurück. So geschehen im großen Stil etwa in Wien mit Straßenbahnen und Kanalnetz. Ein wunderbares Vehikel der Geldvermehrung – aber nur kurzfristig. Denn langfristig wird es teuer. Auch Fremdwährungsspekulationen waren groß in Mode, die vor allem für Kredite genutzt wurden. So wie viele Häuselbauer durchschauten auch die Bürgermeister die Risken nicht und fielen auf die Nase.

Überhaupt scheinen etliche Modelle in Serie kopiert worden zu sein. Etwa die berühmt-berüchtigten Gewerbeparks. Die simple Überlegung dahinter: Die Grundsteuer für landwirtschaftliche Flächen ist minimal, also widme etliche als Gewerbefläche um und siedle Betriebe darauf an. Dies lässt die Grundsteuer steigen und die Kommunalsteuer sprudeln.

So die Idee. Leider kamen viele andere auch auf den Gedanken. So wuchert Österreich mit hässlichen Lagerhallen, Einkaufszentren und Betriebsgebäuden zu – mitten im Grünen. Immer mehr davon stehen leer. Ein Beispiel für Schilda in Reinkultur: In der niederösterreichischen Gemeinde Bergland, einer flächenmäßig großen Streusiedlung, widmete der Gemeinderat eine riesige Ackerfläche bei der Autobahnabfahrt Ybbs als Gewerbegebiet um. Wo vor Jahren noch grüne Äcker waren, stehen heute eine Diskothek, ein McDonalds, ein Autohaus, ein Busunternehmen samt Riesengarage und ein Einkaufszentrum mit den üblichen Billigmarken. Die Einnahmen sprudelten. Das brachte die klamme Nachbargemeinde Ybbs auf den Gedanken, ihren in knapp zwei Kilometer (!) Entfernung befindlichen Gewerbepark auszubauen.

Die Innenstadt des malerischen Städtchens an der Donau war schon zuvor vom Geschäftesterben bedroht. Nun hat man zwar alle Häuser renoviert und einen nagelneuen Hochwasserschutz – bloß ist Ybbs zur Geisterstadt geworden. Nur die Trafik floriert.

Die Flächenwidmung ist Teil des Problems, denn die Gemeinden widmen weiter fleißig Acker- in Bauland um. Die Folgen sind neben Gewerbeparks und Bodenversiegelung endlose Einfamilienhaus-Siedlungen am Rand der Ortskerne. Das erfordert ein weitläufiges Straßen-, Kanal- und Stromnetz. Das Landschaftsbild wird zerstört und die traditionelle Bauweise ignoriert.

Statt also nur zu jammern, sollten die Gemeinden auch vor der eigenen Tür kehren und in größeren Dimensionen denken als exakt bis zur Gemeindegrenze. Diese Art von Ansiedlungs- und Siedlungspolitik muss jedenfalls schleunigst beendet werden. Der Pilotversuch in der Steiermark, wo mutig Gemeinden zusammengelegt und Synergien gesucht wurden, hat noch keine Nachahmung gefunden. Schade.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zur Autorin:

Dr. Gudula
Walterskirchen ist Historikerin und
Publizistin. Sie war bis 2005 Redakteurin der „Presse“, ist seither freie Journalistin und Autorin zahlreicher Bücher mit historischem Schwerpunkt.

www.walterskirchen.cc

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2015)

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