Kein Geld für mehr Hospize: Die Zukunft des Zwei-Klassen-Sterbens

In seltener Einigkeit fordern Parlamentarier einen Ausbau der Palliativversorgung für ein würdevolles Sterben. "Kein Geld", wehrten die zuständigen Minister ab.

Den Parlamentariern gebührt hohes Lob: Statt nur brav Gesetzestexte der Bundesregierung abzunicken, haben sie intensiv diskutiert, sich beraten lassen und nachgedacht. Mehrere Monate lang tagte die Enquetekommission zum heiklen Thema „Würde am Ende des Lebens“, Dutzende Experten wurden gehört, Stellungnahmen beraten.

Man war sich einig, dass dieses Thema nichts mit Parteienhader zu tun hat. Denn möglichst schmerzfrei und in Würde sterben, das wollen alle Menschen. Am Ende haben sich Abgeordnete aller Fraktionen auf etliche konkrete Forderungen geeinigt. Im Mittelpunkt steht der Ausbau der palliativen Betreuung und der Ausbildung der Ärzte und des Pflegepersonals. Der Finanzbedarf dieses wichtigen Vorhabens: 18 Millionen Euro. So stellt man sich als Bürger idealerweise die Arbeit der Repräsentanten vor.

Doch halt, nicht die gewählten Parlamentarier – eigentlich als Gesetzgeber in unserer Demokratie vorgesehen – sondern die Minister machen hierzulande Politik. Und die winkten prompt und ohne nachzudenken ab.

Er habe kein Geld, meinte der Sozialminister. Ähnlich argumentierte die Gesundheitsministerin. Das war allerdings die falsche Antwort, denn Ministerien haben nie Geld übrig. Sie sind ja kein Sparverein, sie setzen aber offenbar andere Prioritäten. Die Prioritäten des Staates Österreich sind etwa Milliarden in der Hypo Alpe Adria versenkt zu haben; oder für den Zubau beim Flughafen Wien 400 Millionen Euro zu viel bezahlt zu haben; oder – etwas bescheidener – die Umsetzung des Programms „Gender mainstreaming“ mit 76 Millionen Euro.

Aber 18 Millionen Euro dafür, dass mehr Menschen in einem Hospiz oder zu Hause, bei ihren Lieben, schmerzfrei und betreut von kompetenten Fachkräften sterben dürfen, die hat der Staat nicht. Auch der geforderte Rechtsanspruch auf Palliativbetreuung wurde abgelehnt.

Diese prompte Ablehnung der zuständigen Minister ist in mehrfacher Hinsicht ein Schlag ins Gesicht von Bürgern und Parlamentariern: Es entsteht der Eindruck, dass die betreffenden Minister die gewählten Mandatare nicht ernst nehmen und ihre Arbeit als reine Beschäftigungstherapie betrachten. Das ist demokratiepolitisch ein fatales Signal, weil es einer Missachtung der Legislative gleichkommt. Und es ist ein Schlag ins Gesicht für die Dutzenden hochkarätigen Experten, die unentgeltlich Zeit und Energie zur Verfügung gestellt haben.

„Kein Geld“ für Palliativmedizin und Hospize zu haben ist auch deshalb ein falsches Argument, weil die zahlreichen geladenen Experten einig waren, dass diese Maßnahmen nicht nur zu mehr Qualität, sondern auch zu niedrigeren Kosten führen. Es ist einleuchtend, dass ein Krebskranker im Endstadium zu Hause, betreut durch ein mobiles Hospizteam, weit weniger Kosten verursacht als in einem Akutbett einer Spezialklinik.

Die Kosten können auch kein Argument sein, wenn die überwiegende Zahl der Ärzte und Pflegepersonen laut einer aktuellen Studie sich nicht auf den Umgang mit Sterbenden vorbereitet und geschult sieht. Hier besteht dringender Handlungsbedarf! Einzig auf Palliativstationen gebe es geeignete Räumlichkeiten und gut geschultes Personal. Beides gibt es hierzulande nicht ausreichend.

Und noch etwas zum Thema Geld: Wenn es zu keinem Ausbau der Hospize und zu keiner besseren Ausbildung aller Mediziner kommt, dann wird es eine Frage der Vermögensverhältnisse sein, ob sich Sterbende ein geschultes Hospizteam und eine würdevolle Umgebung leisten können oder nicht – ein „Zwei-Klassen-Sterben“ also.

Der ehemalige Bundeskanzler Franz Vranitzky kritisierte jüngst bei einer Veranstaltung, man lasse den Politikern keine Zeit, um über eine Frage nachzudenken. Nun, die Gesundheitsministerin und der Sozialminister sind eingeladen, ihre vorschnellen Äußerungen noch einmal in Ruhe zu überdenken. Dann werden sie hoffentlich andere Prioritäten setzen.

E-Mails an:debatte@diepresse.comZur Autorin:

Dr. Gudula
Walterskirchen ist Historikerin und
Publizistin. Sie war bis 2005 Redakteurin der „Presse“, ist seither freie Journalistin und Autorin zahlreicher Bücher mit historischem Schwerpunkt.

www.walterskirchen.cc

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2015)

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