Kind auf Bestellung: Gekaufte Babys und "geerntete" Eizellen

Statt Vermutungen, Schönfärbereien oder Horror-Szenarien zu erliegen, hat Eva Maria Bachinger in ihrem neuen Buch einfach gründlich recherchiert.

Im Frühjahr wurde das Fortpflanzungsmedizingesetz in Österreich novelliert. Seither ist es erlaubt, in vitro gezeugte Embryonen auf Behinderungen zu untersuchen und Eizellen zu „spenden“. Eine öffentliche Diskussion zu dem äußerst sensiblen und komplexen Thema wurde kaum geführt, das Gesetz im Ho-Ruck-Verfahren durchgepeitscht. Bedenken wurden vom Tisch gewischt und als „reaktionär“ abgetan. Kaum ein Abgeordneter durchblickte die Materie, der er zustimmte. Die Politik verließ sich auf die Empfehlung einer Mehrheit der Bioethikkommission und die einflussreiche Fortpflanzungsmedizin-Lobby.

Nun ist die öffentliche Debatte neu entflammt und sollte dringend breit geführt werden. In ihrem kürzlich erschienenen Buch „Kind auf Bestellung“ beschreibt die Publizistin Eva Maria Bachinger, was Kritiker des neuen Gesetzes befürchtet hatten, und es geht noch darüber hinaus. Die Autorin ließ sich nicht von den Hochglanzprospekten der Fortpflanzungskliniken blenden, nicht von Eiferern unter den Kritikern beeinflussen oder vom medialen Hype um glückliche Wunschbaby-Eltern blenden. Sie hat gründlich recherchiert und mit Betroffenen gesprochen: Nicht nur mit Wunscheltern und Fortpflanzungsmedizinern, sondern auch mit Leihmüttern in Osteuropa, mit Frauen, die ihre Eizellen verkaufen und mit Experten, die das Geschehen kritisch verfolgen.

So etwa ging sie dem Fall eines homosexuellen Paares nach, das mithilfe eines russischen Fortpflanzungsinstitutes zu einem Baby gekommen ist. Freimütig beschreiben die beiden das Prozedere: Zuerst wurde die „passende“ Eizelle nach Augenfarbe, Haarfarbe und Größe der Mutter ausgewählt. Man brauchte zwei Jahre, mehrere Eizelllieferantinnen und zwei Leihmütter, bis schließlich der bestellte Sohn – ein Mädchen hatte man ausgeschlossen – auf die Welt kam. Als Geburtsort wählte man Tschechien, weil Russland zu homophob sei. Die österreichische Botschaft in Prag weigerte sich zuerst, einen Reisepass für das Kind auszustellen, weil man eine Leihmutterschaft vermutete. Doch das Paar beharrte darauf, dass es natürlich gezeugt worden war und drohte mit den Medien. Mehr als 60.000 Euro kostete das Wunschkind, 20.000 davon erhielt die Leihmutter.

Leihmutterschaft ist in Österreich zwar – noch – verboten, aber die im Ausland daraus entstandenen Kinder werden offenbar trotzdem legalisiert. Fortpflanzungsmediziner fordern die Legalisierung in Österreich bereits ein, damit Österreicher nicht mehr ins Ausland gehen müssten. Sie werden es trotzdem tun, wie Bachinger analysiert, weil auch Leihmutterschaft nach marktwirtschaftlichen Prinzipien funktioniert: Selbst in Ländern, in denen sie erlaubt ist, suchen schon jetzt Paare nach billigeren Alternativen im Ausland.

Aufschlussreich sind Bachingers Recherchen auch im Hinblick auf die „Spende“ von Eizellen, die in Österreich nur aus altruistischen Motiven erlaubt ist. Die Vermutung der Kritiker, dass sich kaum eine Frau diesen massiven Eingriff in ihren Körper unentgeltlich antun würde, bestätigt sich: Es gibt kaum echte Spenderinnen. Das Gesetz hat aber eine Grauzone geschaffen, indem eine „Aufwandsentschädigung“ erlaubt wurde. In der Praxis zwischen 1000 und 1500 Euro pro „Ernte“, wie die „Spende“ im Fachjargon genannt wird. Ein Betrag, der etwa für junge Frauen aus Osteuropa sehr attraktiv ist. Die Risken werden von den Instituten eher heruntergespielt: Es komme so gut wie nie zu Überstimulationen, die Eizellentnahme sei ein harmloser Eingriff, gesundheitliche Folgeschäden gebe es keine.

Was es tatsächlich nicht gibt, sind Studien zu Folgeschäden für Leihmütter und Eizelllieferantinnen. Ihr Schicksal interessiert weder die Wunscheltern und die Institute, die unglaubliche Gewinne einfahren, noch die Medien. Bachingers fundiertes Buch ist nicht nur für Kritiker der Fortpflanzungsmedizin aufschlussreich, sondern sei all jenen Politikerinnen und Politikern ans Herz gelegt, die vorgeben, es ginge ihnen um das Wohl der Frauen und Kinder.

E-Mails an:debatte@diepresse.comZur Autorin:

Dr. Gudula
Walterskirchen ist Historikerin und
Publizistin. Sie war bis 2005 Redakteurin der „Presse“, ist seither freie Journalistin und Autorin zahlreicher Bücher mit historischem Schwerpunkt.

www.walterskirchen.cc

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.