Lasst die Flüchtlinge ihre Häuser doch einfach selbst bauen!

Statt sie wie bisher in übertriebener Weise zu befürsorgen, sollten die Neuankömmlinge die Möglichkeit erhalten, sich selbst etwas aufzubauen.

Kürzung der Mindestsicherung, Residenzpflicht, Lockerung der Bauordnung, Jobs für Asylwerber – die Reizworte in der Flüchtlingsdiskussion der vergangenen Wochen zeigen, dass Österreich die Wege, wie es die 90.000 im vergangenen Jahr zu uns geströmten Menschen auf Dauer unterbringen, finanzieren und beschäftigen kann, noch nicht gefunden hat. Kein Wunder: In dieser Form ist die Herausforderung neu.

Rein sachlich betrachtet ist die Lage sowohl für die Flüchtlinge als auch für die Bürger paradox: Da sind Menschen, viele von ihnen immer noch notdürftig in Massenquartieren untergebracht, die den ganzen Tag nichts zu tun haben. Sie dürfen aber gar nichts tun, nicht arbeiten, nicht für sich sorgen, in etlichen Quartieren wird ihnen sogar das Essen fixfertig geliefert.

Die einzige Beschäftigung sind Sprachkurse. Aber auch diese sind nicht tagesfüllend. Auch nicht das Abgrasen der verschiedenen Ämter, um sich Unterstützungen abzuholen und Unterlagen für das Asylverfahren abzugeben. Also bleibt (zu) viel leere Zeit. Da werde schon ein Mensch ohne traumatisierende Erlebnisse halb verrückt, meinte ein Psychologe, der in der Flüchtlingsbetreuung tätig ist. Diese Menschen brauchten eine Tagesstruktur und sinnvolle Aufgaben.

Auf der anderen Seite mühen sich Helfer rastlos, das Leben und die Zukunft für diese Menschen zu organisieren: Unterkünfte werden hergerichtet oder neu gebaut, Freiwillige sorgen für die Einrichtung, sogenannte Freizeitaktivitäten werden organisiert. Die Flüchtlinge werden Monate nach ihrer Flucht betreut und behandelt wie kleine, hilflose Kinder. Sie werden dazu erzogen, sich von anderen und vom Staat abhängig zu machen. Die wenigsten fühlen sich wohl gut dabei.

Es wird befürchtet, dass aufgrund der unterschiedlichen Sozialleistungen und persönlicher Netzwerke die meisten Flüchtlinge nach Wien strömen und sich dort Ghettos bilden werden. Wien hat für diesen Fall vorsorglich die Bauordnung gelockert. Also will man die Residenzpflicht einführen. Wie sollen „Flüchtlingshäuser“ in der Stadt funktionieren? Das würde die Ghettobildung massiv fördern. Besser wäre es, sie auf einzelne Wohnungen zu verteilen und sie diese womöglich selbst her- und einrichten zu lassen.

Auch die Sinnhaftigkeit des anderen Ansatzes ist zu hinterfragen: In ländlichen Regionen will man ihnen neue Häuser auf die grüne Wiese bauen. Auf dem Land würde diese Problematik jedoch noch deutlicher hervortreten: Eine „Flüchtlingssiedlung“ wäre an sich schon ein Ghetto, die Bewohner stigmatisiert.

Andererseits hätten sie mit Neid zu kämpfen, dass man für sie Häuser baut, nicht aber für die einheimische Bevölkerung. Es erschließt sich auch nicht, dass man gerade auf dem Land, wo viele Häuser wegen Abwanderung leer stehen, daneben auf die grüne Wiese baut und die Landschaft verunstaltet.

Wieso mietet oder kauft man nicht leer stehende Häuser (billig) an und lässt die künftigen Bewohner sie selbst sanieren? Unter der Aufsicht von Fachleuten könnten sie eine Menge lernen, vielleicht sogar im Rahmen einer Lehre. Sie hätten etwas zu tun, würden sich mit ihrer neuen Umgebung besser identifizieren und sich schneller heimisch fühlen.


Es würde Selbstwert der Neuankömmlinge steigern, wenn sie selbst etwas für den Aufbau ihrer neuen Existenz tun könnten, und auch ihr Ansehen in der Bevölkerung heben. Sie wären besser verteilt und würden eher bleiben, denn ein Haus, das man selbst renoviert hat, gibt man nicht so leicht auf, um nach Wien zu ziehen.

Wenn wir Integration wirklich ernst nehmen, dann ist mit einer Überbefürsorgung niemandem gedient. Diese schafft mehr Probleme, als sie löst. Die Neuankömmlinge werden derzeit statt zu künftigen Leistungswilligen leider geradezu zu Sozialhilfeempfängern erzogen. Daher sollte man ihnen die Möglichkeit geben, ihr Leben möglichst rasch selbst in die Hand zu nehmen.

E-Mails an:debatte@diepresse.comZur Autorin:

Dr. Gudula
Walterskirchen ist Historikerin und
Publizistin. Sie war bis 2005 Redakteurin der „Presse“, ist seither freie Journalistin und Autorin zahlreicher Bücher mit historischem Schwerpunkt.

www.walterskirchen.cc

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2016)

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