Wo bleibt die Courage?

Von CERN und EU bis zu heimischen Skandälchen: Mutige Äußerungen "gegen den Wind" sind rar.

Klar eine Meinung sagen – und sei es auch gegen den Mainstream: Warum fällt das in Österreich so schwer? Siehe das Forschungszentrum CERN in Genf: Wissenschaftsminister Johannes Hahn wollte die jährlich fälligen rund 20 Millionen Euro lieber in andere internationale Wissenschaftsprojekte stecken. Doch während das Meinungsklima langsam in die Gegenrichtung kippte, schwiegen selbst jene Forscher, die davon profitiert hätten. Man kann sich ungefähr ausmalen, was sich die (an den Unis noch immer mehrheitlich pragmatisierten) Herren und Damen dabei gedacht haben: Wer weiß, vielleicht schlägt ja der politische Wind plötzlich um, dann steht dort ein roter/blauer/grüner Wissenschaftsminister, und ich bin bei den Schwarzen angestreift, kann mir daher womöglich mein schönes Projekt/das neue Institut/mehr Geld für Mitarbeiter in die Haare schmieren. Da halten wir lieber schön feige den Mund. Nachher kann man ja immer noch über unfähige Volksvertreter maulen.

Ähnliches findet sich natürlich auch in der Politik selbst: Derzeit ist es nicht opportun, klar und fest zur EU oder, Teufel auch, zum Lissabon-Vertrag zu stehen, weil ein Zeitungsherausgeber eine andere Linie vorgegeben hat und die Populisten aller Parteien daraus Profit schlagen. Absurderweise hätte es aber genau dadurch sogar eine Marktlücke für begeisterte Pro-Europäer gegeben, die erstaunlicherweise niemand (außer der Leider-nein-Spitzenkandidat Othmar Karas) nützt.

Somit bleibt – nicht nur bei dieser Wahl – alle Aufmerksamkeit bei den peinlichen Brachialreimen der FPÖ hängen. Selbst Intellektuelle wie Franzobel können nicht umhin, den Blauen im Gegensatz zu den anderen Wischiwaschiparteien eine klare Linie zu bescheinigen, die die Menschen wenigstens verstehen. Wundern wir uns dann also bitte nicht über das Wahlergebnis am 7. Juni.

Und wen haben die Politiker zum Abputzen? Na, die Journalisten natürlich! Schreibt mehr über Europa, sagen sie vorwurfsvoll selbst zu einer Qualitätszeitung wie der „Presse“, die seit 13 Jahren eine eigene EU-Seite publiziert. Traut euch doch, die Wahrheit zu sagen, fordern auch manche Leser. Da gebe es etwa diesen und jenen Skandal in Wien. Ob man den Informanten damit zitieren könne? Aber nein, um Himmels willen, er mache doch auch Geschäfte mit der Stadt. Courage – das fordert man halt immer nur von anderen ein.

martina.salomon@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2009)

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